Geschichte

Aus zwei Zeitungen wird eine: Wie es zur Gründung des „Vorwärts“ kam

Die SPD wird in diesem Jahr 160 Jahre. Wir blicken zurück auf wichtige Ereignisse: Am 1. Oktober 1876 erscheint die erste Ausgabe des „Vorwärts“. Er ist das Ergebnis einer Fusion von zwei Parteien und zwei Zeitungen.
von Kai Doering · 18. April 2023
Die Premiere: Am 1. Oktober 1876 erschien die erste Ausgabe des „Vorwärts“ in Leipzig.
Die Premiere: Am 1. Oktober 1876 erschien die erste Ausgabe des „Vorwärts“ in Leipzig.

Als sich auf dem Vereinigungsparteitag vom 22. bis 27. Mai 1875 in Gotha der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zusammenschlißen, bringen beide eine eigene Zeitung mit in die Partei-Ehe ein. Sprachrohr des ADAV ist der „Social-Demokrat“ (ab 1871 „Neuer Social-Demokrat“), die Publikation der SDAP ist der „Volksstaat“. Zunächst erscheinen beide Zeitungen weiter, ehe sie zum „Vorwärts“ verschmilzen.

Der „Vorwärts“ als Kaderschmiede der SPD

Dessen erste Ausgabe erscheint mit vier eng bedruckten Seiten am 1. Oktober 1876 in Leipzig. „Central-Organ der Sozialdemokratie Deutschlands“ lautet der Untertitel. Gleichberechtige Chefredakteure sind Wilhelm Hasenclever, der damals auch im Reichstag sitzt, und Wilhelm Liebknecht. Letzterer hat kurz zuvor erklärt: „Unser gefährlichster Feind ist nicht das stehende Heer der Soldaten, sondern das stehende Heer der feindlichen Presse.“ Der „Vorwärts“ soll diesem etwas entgegensetzen. Er erscheint dreimal in der Woche – mittwochs, freitags und sonntags – und kann quartalsweise für 1,60 Mark abonniert werden, für eine*n Arbeiter*in zur damaligen Zeit eine Stange Geld.

Als Folge des Sozialistengesetzes muss der „Vorwärts“ sein Erscheinen am 26. Oktober 1878 bereits wieder einstellen. Ab 1879 erscheint er in Zürich wieder: illegal und unter dem Titel „Der Sozialdemokrat“. Dennoch avanciert der „Vorwärts“ im Kaiserreich, vor allem aber in der Weimarer Republik zu einer Kaderschmiede der SPD. Aus seiner Redaktion gehen zahlreiche Reichstagsabgeordnete und Regierungsmitglieder hervor. 1903 schreibt Rosa Luxemburg, die einige Zeit zur Redaktion gehört: „Mit dem Ariadnefaden der Marxschen Lehre in der Hand ist die Arbeiterpartei heute die einzige, die vom historischen Standpunkt aus weiß, was sie tut, und deshalb tut, was sie will. Darin liegt das ganze Geheimnis der sozialdemokratischen Macht.“

Der „Vorwärts“ als Schmugglergut

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 erscheinen im Deutschen Kaiserreich insgesamt 94 sozialdemokratische Zeitungen mit einer Auflage von etwa 1,4 Millionen Exemplaren. Der „Vorwärts“ macht in diesem Jahr allein zehn Prozent der Auflage der gesamten SPD-Presse aus.

Die letzte Ausgabe des „Vorwärts“ escheint am 28. Februar 1933. Als die Nazis das Sprachrohr der Linken in der Weimarer Republik verbieten und das gesamte Verlagsarchiv vernichten, überlebt der „Vorwärts“ als „Neuer Vorwärts“ im tschechischen Exil in Prag. Und als 1937 auch die tschechische Regierung der Redaktion jede politische Betätigung verbietet, flieht diese nach Paris, wo der „Vorwärts“ bis zum Einmarsch der Nazis im Jahr 1940 weiter existiert. Die Ausgaben werden von Bot*innen über die Grenze nach Deutschland geschmuggelt.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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