Geschichte

Auftakt zu zwölf dunklen Jahren

von Carl-Friedrich Höck · 21. Juni 2013

 Vor 80 Jahren: Am 22. Juni 1933 wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Viele Sozialdemokraten wurden verhaftet oder ermordet. Doch im Untergrund und im Exil lebte die Partei fort.

Die SPD sei eine staats- und volksfeindliche Partei, gab der NS-Innenminister Wilhelm Frick am 22. Juni 1933 bekannt. Sie schrecke nicht vor hoch- und landesverräterischen Unternehmungen zurück. An diesem Tag besiegelte Frick das Ende der SPD: Sie wurde verboten. Noch im selben Monat wurden mehr als 3000 Sozialdemokraten verhaftet.

Für Adolf Hitler war es ein weiterer Schritt bei der Errichtung seiner Diktatur. Der Reichskanzler strebte einen Ein-Parteien-Staat an. Gleichzeitig konnte er sich mit dem Verbot an der SPD rächen. Schließlich hatten die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten am 23. März als einzige gegen sein Ermächtigungsgesetz gestimmt.  Faktisch war die SPD im Juni als Massenorganisation ohnehin kaum noch arbeitsfähig. Viele Sozialdemokraten waren bereits in Gefängnisse und Konzentrationslager gesteckt oder ermordet worden. Andere waren ins Ausland geflohen. Das Vermögen der Partei hatten die NS-Behörden bereits am 10. Mai beschlagnahmt.

Die Gewerkschaften waren schon zerschlagen

Mit den freien Gewerkschaften hatte die SPD zudem wichtige Verbündete verloren. Im Gegensatz zur SPD hatten sie nach Hitlers Machtübernahme versucht, mit einer Anpassungstaktik ihr Überleben zu sichern. Überschwänglich lobten die Gewerkschaften die Nazi-Regierung, als diese den 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ zum Feiertag erklärte. Gebracht hat es ihnen nichts. Schon am 2. Mai stürmten SA- und SS-Truppen die Gewerkschaftsgebäude und beendeten die Arbeit der freien Gewerkschaften.

Aus dieser Erfahrung zog die SPD ihre Schlüsse. Eiligst schickte sie führende Sozialdemokraten ins Ausland. In Prag bauten sie die Exilorganisation Sopade auf. Nach dem offiziellen Verbot der SPD verstand die Sopade sich als Treuhänderin der SPD.

Auch programmatisch war der 22. Juni 1933 ein einschneidender Tag für die SPD. Bis dahin hatten die Sozialdemokraten sich mehrheitlich auf legale Mittel beschränkt, um Hitler und den Nationalsozialisten die Stirn zu bieten. Man wollte ihnen keine Vorwände liefern, um die Rechte der Partei weiter zu beschränken. Das hatte sich nun erübrigt – und in der Folge radikalisierte sich die SPD.

Die Sopade forderte den „Sturz der Despotie“

Die Sopade verabschiedete am 28. Januar 1934 das „Prager Manifest“. Darin propagierte sie als Ziel der Arbeiterbewegung den „Kampf um völlige Niederringung der nationalsozialistischen Staatsmacht“. Weiter hieß es: „Der Sturz der Despotie wird sich, wenn nicht äußere Katastrophen ihn herbeiführen, nur in der gewaltsamen Niederringung, nur durch den Sieg im revolutionären Kampf vollziehen.“

Gleichzeitig kritisierte die Sopade die pragmatische sozialdemokratische Politik während der Weimarer Republik. Dass die SPD 1918/19 „den alten Staatsapparat fast unverändert übernahm, war der schwere historische Fehler, den die während des Krieges desorientierte deutsche Arbeiterbewegung beging“, erklärten die Sozialdemokraten nun.

Die Sopade gab sich revolutionär. Doch auch weiterhin bekannte sie sich zu Zielen wie Demokratie, Presse- und Versammlungsfreiheit. Der Kern ihrer Arbeit war es, die Kontakte zwischen den Sozialdemokraten aufrecht zu erhalten, die im Exil oder im Untergrund aktiv waren. Von Prag aus beschaffte die Sopade sich Informationen über die Entwicklungen im Reich und machten sie öffentlich – zum Beispiel in der Exil-Zeitung „Neuer Vorwärts“. Viele Schriften wurden heimlich ins Deutsche Reich geschmuggelt.

Junge Genossen gingen in den Untergrund

Währenddessen gründeten sich in Deutschland kleine Widerstandsgruppen, in denen sich überwiegend junge Sozialdemokraten zusammenschlossen. Sie nannten sich „Neu Beginnen“, „Internationaler Sozialistischer Kampfbund“ oder „Rote Kämpfer“. Doch so militant wie ihre Namen vermuten ließen handelten die Gruppen selten. Stattdessen verteilten sie Broschüren und Flugblätter oder brachten Transparente mit Anti-Hitler-Parolen an Brücken an.

Doch selbst dafür wurden sie von den Nazis mit aller Macht bekämpft. Etwa zwei Jahre dauerte es, bis die Gestapo alle wichtigen Untergrundorganisationen aufgespürt hatte. Sie wurden brutal zerschlagen.

Lange hatten die Sozialdemokraten gehofft, wenigstens im Untergrund ihre Organisation aufrecht erhalten zu können. Schließlich hatten sie die Erfahrung, als Partei verboten und verfolgt zu werden, durch Bismarcks Sozialistengesetze (1878-1890) schon einmal gemacht. Doch die Nazis gingen rigoroser und brutaler gegen die Sozialdemokraten vor, als es Bismarck je gewagt hätte.

„Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen“, hatte der Vorsitzende der SPD-Reichstagsfraktion Otto Wels im März 1933 ausgerufen. Die Geschichte sollte ihm Recht geben, doch das erlebte er nicht mehr. Wels starb 1939 im Pariser Exil.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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