Auf die harte Tour: das legendäre Kanzler-Duell Schmidt gegen Strauß
Wer diesen Wahlkampf miterlebt hat, wird ihn nicht vergessen. Es ist der wohl härteste in der Geschichte der Bundesrepublik. Nie zuvor haben der amtierende Regierungschef und sein Herausforderer so gnadenlos gegeneinander ausgeteilt. Denn die Wahl am 5. Oktober 1980 ist die Wahl zwischen den beiden wortmächtigsten Politikern Westdeutschlands: dem sozialdemokratischen Kanzler Helmut Schmidt und seinem CSU-Herausforderer Franz Josef Strauß.
Sie wird zu einem regelrechten Duell der beiden, zu einem Showdown, wie man ihn aus Westernfilmen kennt. Keiner schenkt dem anderen etwas. Schmidt gelingt es dabei perfekt, sich als Opfer von Strauß darzustellen, als Opfer, dass hin und wieder auch einmal zurücklangt. Er sei – so formuliert es der Kanzler im TV – wenn es denn nötig sei durchaus bereit, „auf einen groben Klotz auch einen groben Keil zu setzen“. Das kommt an. Und Strauß liefert mit seiner aggressiven polternden Art jede Menge Munition, die Schmidt geschickt nutzt.
Schmidt über Strauß: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich“
So zitiert der Kanzler in einem Wahlwerbespot der SPD genüsslich, wie ausfällig Franz Josef Strauß ihn und die SPD beschimpft. „Chamäleon, Werkzeuge Moskaus, Moskau-Fraktion, Unfähigkeit, Skrupellosigkeit, Größenwahn, Heuchelei, Verantwortungslosigkeit, Kriegskanzler, Kriegsandrohungskanzler, Panikkanzler, reif für die Nervenheilanstalt“, das sei „alles Originalton Strauß und noch viel mehr“, so Schmidt ganz sachlich und mit betont ruhiger Stimme. Um dann nur umso heftiger loszudonnern: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich! Und deshalb darf er erst recht keine Kontrolle über unseren Staat bekommen!“
Zentrales Thema des Wahlkampfes ist die Sicherheitspolitik. 1980 ist Deutschland geteilt, der kalte Krieg verschärft sich wieder, die Zeichen stehen nicht auf Entspannung sondern auf Krise zwischen Washington und Moskau. Und mittendrin die Deutschen in Ost und West. Der zentrale Slogan auf den SPD-Plakaten lautet „Sicherheit für Deutschland“, zusammen mit dem Bild des Kanzlers.
Frieden und Sicherheit – die Sorgen der Deutschen 1980
Helmut Schmidt kennt die Sorgen der Bürger*innen um Frieden und Sicherheit gut. Nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen verheerenden Folgen, so der Kanzler, „gehört es zur nationalen Pflicht der Deutschen, den Frieden nicht nur zu wollen, sondern ihn auch tatsächlich zu festigen und zu gestalten“. Genau das werde die SPD tun. „Wir kämpfen gemeinsam für die Sicherheit aller Deutschen, für unser Land und für den Frieden.“
Strauß und die Union dagegen stellt Schmidt als das Gegenprogramm dar: „Es fehlt ihnen die Fähigkeit nicht nur zum Frieden, auch die Fähigkeit zum Anstand.“ Den Kanzlerkandidaten der CSU stellt Schmidt mal als außenpolitischen Dilettanten, mal als sicherheitspolitisches Risiko dar: „Kiesinger war klüger als Strauß. Wir heute sind auch klüger als Strauß. Auch wir alle gemeinsam wissen, dass wer sich in fremde Konflikte einmengt, dass der sich dabei die Finger verbrennen kann.“ Schmidt warnt vor der Gefahr, dass mit Strauß ein kalter Krieger ins Kanzleramt einziehen werde.
Strauß: „Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder“
Doch Strauß kennt keine Zurückhaltung. Den Vorwurf, ein kalter Krieger zu sein, pariert er in typischer Strauß-Manier: „Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder.“ Sein vielleicht größter Fehler in diesem Wahlkampf: Er greift die von vielen hoch geschätzte Sicherheitspolitik der SPD und ihres Kanzlers frontal an. „Helmut Schmidt hat vieles getan, um den Schatten Moskaus über Europa länger zu machen“, so der Unions-Kandidat. „In Wirklichkeit hat das Risiko in Europa durch diese Entspannungspolitik zugenommen.“ Strauß fährt fort: „Und wenn das Risiko nicht lebensgefährlich geworden ist, dann deshalb, weil die von uns gegen die SPD vollzogenen Entscheidungen, Eintritt in die NATO und Aufbau der Bundeswehr, auch den sozialistischen Regierungen Brandt und Schmidt noch die Möglichkeit gegeben haben, wider ihre eigene Politik, die Freiheit dieses Teiles Deutschlands gewährleisten zu können.“
Anders als Schmidt, dessen harte Wortwahl kühl kalkuliert ist, die gezielt und dosiert eingesetzt wird, verliert Strauß in diesem Wahlkampf immer wieder erkennbar die Fassung. Etwa, wenn er bei seinen Wahlkampfauftritten mit hunderten von Gegendemonstrant*innen konfrontiert wird, die ihn mit lauten Pfiffen und dem zum Hitlergruß erhobenen rechten Arm empfangen. Strauß gerät außer sich. „Ihr wärt die besten Schüler von Doktor Joseph Goebbels gewesen!“, brüllt er vom Podium. „Ihr wärt die besten Anhänger Heinrich Himmlers gewesen!“, überschlägt sich seine Stimme. „Ihr seid die besten Nazis, die es je gegeben hat!“ Dieser Vorfall sorgt für Schlagzeilen. Die SPD nutzt die Chance und bringt den Ausraster von Strauß in ihren Wahlwerbespots. Um dann Helmut Schmidt ernst und besorgt sagen zu lassen: „Keiner von uns sollte jemals so reden wie er.“
Eklat im TV drei Tage vor der Wahl
Doch Strauß kann oder will nicht anders. Auch drei Tage vor der Wahl ist er, der sich auf seinen Plakaten als „Kanzler für Frieden“ präsentiert, in der Diskussion der Spitzenkandidaten bei ARD und ZDF extrem aggressiv. Er empört sich gegenüber dem Kanzler, „dass sie mich dauernd unterbrechen, dass sie in ihrer Gereiztheit, in ihrer Intoleranz nicht mehr in der Lage sind, sich Tatsachen anzuhören“. Und poltert weiter: „Es wäre gut Herr Schmidt, wenn Sie hier Ihre infamen Behauptungen nicht dauernd wiederholen würden.“ Der bleibt vollkommen unbeeindruckt und gelassen.
Das zahlt sich aus. CDU und CSU verlieren bei der Wahl am 6. Oktober 1980 über vier Prozent der Stimmen. Die SPD gewinnt leicht um 0,3 Prozent. Damit ist das Duell klar entschieden: Schmidt bleibt Kanzler, Strauß in München.
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