Stolz war Wehner, der in Dresden geborene Vorsitzende des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche Fragen, auf die Arbeiter in Ost-Berlin und der DDR. "Wir sind Arbeiter und keine Sklaven!" -
Dieser Ruf der Streikenden und Demonstranten nach Freiheit erschütterte ihn besonders. 1950 hatte er vorausgesagt: "Die Freiheit der Person, das Recht und die soziale Gerechtigkeit werden in einem
geeinigten Deutschland triumphieren."
Der Juniaufstand hat diese Haltung bestätigt: "Es begann mit dem Kampf gegen die Normenschinderei, mit einem Ausbruch gegen den Hunger. Es verband sich sofort mit dem Eintreten für
verfassungsmäßige Verhältnisse", und schließlich mündete es "in dieses glühende Bekenntnis: Wir wollen nicht mehr in einem gespaltenen Deutschland leben, wir wollen Wiedervereinigung!" Für Wehner
war die SPD "Fleisch vom Fleisch der mitteldeutschen Arbeiter", und diese Arbeiter hatten gekämpft für soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und die deutsche Einheit.
Während die regierende CDU den Aspekt der Trauer um die Opfer in den Vordergrund stellte, leitete Wehner aus den Ereignissen vor allem deutschlandpolitische Verpflichtungen ab. Er sah die
Erhebung als Antrieb, "das Äußerste mit den Mitteln der Politik und Diplomatie zu versuchen, damit wir die Leidenszeit dieser unserer Mitmenschen abkürzen und damit ihrem Anliegen gerecht werden".
Die Arbeiter wollten nicht "beklagt sein und bedauert werden". Sie wollten eine Politik, "auf die das, was sie getan haben und trotz Standrecht noch weiter tun, Einfluss ausübt".
Wehner machte in seiner Rede am 1. Juli 1953 Vorschläge für menschliche und wirtschaftliche Erleichterungen zwischen beiden Teilen Deutschlands. Diese sollten "durch schrittweise
Erleichterung, Lockerung und schließlich Normalisierung" auf die Überwindung der deutschen Teilung hinwirken. Er reagierte mit Vorschlägen zu einer Entspannungspolitik, wie sie zwei Jahrzehnte
später die sozialliberale Regierung unter Führung von Willy Brandt umsetzen sollte.
Die SPD war 1953 in der Opposition, dennoch setzte Wehner damals etwas durch, das Bestand haben sollte: den deutschen Nationalfeiertag. Der Aufstand hatte zu Demonstrationen auch im Westen
geführt. Schon am 17. Juni 1953 veranstaltete die West-Berliner SPD eine Solidaritätskundgebung mit 10 000 Teilnehmern. Weitere Kundgebungen in Westdeutschland folgten. Am 23. Juni 1953 gedachten
zehntausende Menschen vor dem Schöneberger Rathaus der Opfer des Aufstands, darunter Bundeskanzler Adenauer und der Regierende Bürgermeister von Berlin Ernst Reuter.
In der Sitzung des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche Fragen am 2. Juli sprach sich die CDU zunächst gegen die Einführung eines Feiertags am 17. Juni aus. Der Ausschuss-Vorsitzende
Herbert Wehner bestand auf der Feiertagsregelung. Er schlug als Kompromiss den Namen "Tag der deutschen Einheit" vor. Die CDU erklärte sich einverstanden. So wurde schon am 3. Juli 1953 mit den
Stimmen aller Parteien außer der KPD das "Gesetz über den Tag der deutschen Einheit" vom Bundestag verabschiedet.
Mit der deutschen Einheit wurde der Feiertag durch den 3. Oktober ersetzt. Seinen Namen behielt der "Tag der deutschen Einheit" bei.
Von Christoph Meyer, Geschäftsführer des Herbert-Wehner-Bildungswerks e.V.
Quelle: 6/2003
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