Als noch niemand etwas von der Hölle von Verdun ahnte
Die Schlagzeile ist nüchtern und sachlich. „Eindringen in die Hauptbefestigungslinie von Verdun“ titelte der „Vorwärts“ am 27. Februar 1916, einem Sonntag. Sechs Tage zuvor hatte mit der Schlacht um die Festung Verdun im Nordosten Frankreichs eines der schrecklichsten Kapitel des Ersten Weltkriegs begonnen.
„Tapfere Truppen“ kämpfen „mit stürmender Hand“
Als der „Vorwärts“ am 27. Februar erschien, war es der französischen Armee unter dem neuen Befehlshaber im Frontsektor um Verdun, General Philippe Pétain, gelungen, den deutschen Vormarsch zu stoppen. In der „Meldung des großen Hauptquartiers“, das der „Vorwärts“ abdruckte, heißt es trotzdem, dass „in Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers und Königs in der Hauptfront bedeutsame Fortschritte erzielt“ wurden. Die „tapferen Truppen“ kämpften unermüdlich und hätten verschiedene Stellungen „mit stürmender Hand“ genommen.
Auf derselben Seite gratulierte die Redaktion übrigens Franz Mehring zum 70. Geburtstag – was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, hatte Mehring sich doch 1914 gegen die „Burgfriedenspolitik“ der SPD und die Bewilligung der Kredite zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs ausgesprochen.
Angst vor einem Zusammenschluss der Ententemächte
„Fortgang der heftigen Kämpfe bei Verdun“ lautet die Schlagzeile am 29. Februar 1916. Im Wesentlichen geht es in der Zeitung aber um andere Themen. Eine „Meldung des großen Hauptquartiers“ wird dennoch abgedruckt. „Die Artilleriekämpfe erreichten vielfach große Heftigkeit“, heißt es darin. Und: „Wir zerstörten durch Sprengung etwa 40 Meter der feindlichen Stellung.“
Die Hölle von Verdun
Tatsächlich hatte die Reichswehr zu diesem Zeitpunkt kaum Erfolge vorzuweisen und bei ihren Sturmangriffen deutliche Verluste erlitten. Besonders der deutsche Angriff auf Fort Vaux ab dem 27. Februar entwickelte sich zu einem blutigen Gemetzel. Und doch blieb es nur ein Vorgeschmack auf das, was in den folgenden Monaten folgen sollte und heute als „Hölle von Verdun“ bekannt ist: ununterbrochenes Geschütz- und Maschinengewehr-Feuer, Gasangriffe, Hunger und Kälte. Zehn Monate dauerten die Kämpfe, knapp 360.000 französische und etwa 340.000 deutsche Soldaten verloren dabei ihr Leben. Am 18. Dezember wurde die Reichswehr entscheidend zurückgedrängt. Am 20. Dezember wurden die Kampfhandlungen eingestellt.
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.