Geschichte

Als Gerhard Schröder Nein zum Irak-Krieg sagte

„Solidarität ja – Abenteuer nein“: Vor 15 Jahren widersetze sich Gerhard Schröder dem Drängen von US-Präsident George W. Bush, sich an einem Krieg gegen den Irak zu beteiligen. Die Mehrheit der Deutschen wusste der Bundeskanzler dabei hinter sich. CDU-Chefin Angela Merkel dagegen wollte in den Krieg ziehen.
von Renate Faerber-Husemann · 2. August 2017
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15 Jahre ist es her, aber bis heute erinnert sich die Mehrheit der Deutschen dankbar an Gerhard Schröders entschiedenes Nein zu einer deutschen Beteiligung am Irakkrieg. Der Kanzler hatte dafür mehrere Gründe – und wusste die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich: Es gab keine Hinweise darauf, dass Saddam Husseins Regime etwas mit „Nine Eleven“, also dem Flugzeug-Attentat auf das World Trade Center in New York, zu tun hatte.  Es gab nur eine einzige, reichlich dubiose Quelle des Bundesnachrichtendiensts über angebliche atomare, biologische und chemische Waffen und bevorstehende Giftgas-Angriffe aus dem Irak. Geheimdienst- und Militärexperten befürchteten, dass mit einem Eingreifen die ganze Nahost-Region auf Jahre und Jahrzehnte hinaus instabil würde. Ein solcher Krieg war nach  Einschätzung der rot-grünen Bundesregierung völkerrechtswidrig.

Eisiges Klima zwischen Deutschland und den USA

Nur die Franzosen teilten diese Meinung mit dem Nachbarn Deutschland. Die Briten unter ihrem Premierminister Tony Blair standen an der Seite der USA, und fügten sich ein in die „Koalition der Willigen“. Das Klima zwischen den USA und der Bundesrepublik wurde eisig, obwohl die Deutschen durch die Teilnahme am Afghanistankrieg ein Jahr zuvor ihre Bündnistreue trotz heftiger Proteste im eigenen Land längst bewiesen hatten.

Zwei Tage nach seiner ersten Erklärung sagte Gerhard Schröder am 5. August während einer Veranstaltung in Hannover: „Wir sind zu Solidarität bereit. Aber dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen.“ Einen Monat später legte er nach: „Es bleibt dabei. Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer Intervention im Irak nicht beteiligen.“

Die CDU wollte mit den USA marschieren

Nicht nur Zyniker sagten damals, dieses klare Nein habe sieben Wochen vor den Bundestagswahlen die rot-grüne Regierung gerettet. Denn es sah schlecht aus für Sozialdemokraten und Grüne: Die Union konnte laut Umfragen trotz ihres ungeliebten CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber mit mehr als 40 Prozent der Stimmen rechnen. Die Wirtschaft lahmte, die Arbeitslosigkeit war hoch, ausländische Zeitungen schrieben vom „kranken Mann Europas“ und meinten Deutschland.

CDU und CSU reagierten empört auf die Brüskierung des mächtigsten Verbündeten der Bundesrepublik, für die es in der Nachkriegsgeschichte kein Beispiel gab. CDU-Chefin Angela Merkel warb eindringlich für eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg. Doch mehr als zwei Drittel der befragten Bürger stellten sich, unabghängig von ihren Partei-Präferenzen, an die Seite ihres Kanzlers. Die Bundestagswahl wurde, wenn auch mit einer hauchdünnen Mehrheit, noch einmal gewonnen.

Außenminister Fischer: „I am not convinced.“

Die Auseinandersetzungen über den Irak-Krieg gingen auch nach den Wahlen weiter. Im Januar 2003 legte Schröder nach, als es um die UN-Resolution zum Irak-Krieg ging: „Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmen wird.“ Und sein Außenminister Joschka Fischer  sagte im Februar während der Münchner Sicherheitskonferenz zum wütenden US-amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den längst sprichwörtlich gewordenen Satz: „I am not convinced“ (ich bin nicht überzeugt).

Die Lügen eines irakischen Flüchtlings, eines Chemieingenieurs, über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen während Befragungen durch den BND hatten den Amerikanern das Alibi für diesen Krieg geliefert. Obwohl der BND vor dieser Quelle eindringlich gewarnt hatte, berief sich der amerikanische Außenminister Colin Powell vor der UNO auf diesen angeblichen Kronzeugen und erreichte so eine Mehrheit für die Kriegsresolution.

Powell spricht später vom Schandfleck seiner Karriere

Viele Jahre später sagte Powell, er sei falsch beraten worden, die Rede sei ein Schandfleck seiner Karriere. Trotz der Ablehnung durch Russland, China, Frankreich und das nichtständige Mitglied des Sicherheitsrats Deutschland zogen die USA und ihre Verbündeten in diesen Krieg, dessen Folgen bis heute dramatisch sind: Zigtausende Opfer, Ruinenstädte, Menschen auf der Flucht, traumatisierte Soldaten und eine Region, die  nicht zur Ruhe kommt.

Noch am Vorabend des Krieges hatte Schröder in einer Fernsehansprache gesagt: „Der Irak ist heute ein Land, das von der UNO umfassend kontrolliert wird. Was der Weltsicherheitsrat an Abrüstungsschritten verlangt hat, wird mehr und mehr erfüllt. Deshalb gibt es keinen Grund, diesen Abrüstungsprozess jetzt abzubrechen.“ Am 20. März aber fielen die ersten Bomben auf Bagdad. Am 1. Mai erklärte der amerikanische Präsident George W. Bush den eindeutig völkerrechtswidrigen Krieg für beendet. Auch 14 Jahre später sehen die Menschen im Irak das wohl anders.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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