Adolf Reichwein: Der Pädagoge, der Hitler stürzen wollte
Bundesarchiv
Der 20. Juli 1944 ist für viele mit dem Namen Stauffenberg verbunden. Doch der Kreis der Verschwörer*innen war deutlich größer. Auch viele SPD-Mitglieder gehörten dazu, etwa der anerkannte Refompädagoge Adolf Reichwein. Mit anderen Sozialdemokraten (Wilhelm Leuschner, Julius Leber, Carlo Mierendorff) organisierte Reichwein die Zusammenarbeit des sozialdemokratischen mit dem militärischen (Claus Schenk Graf von Stauffenberg) und bürgerlichen Widerstand (Carl Goerdeler). Wie Leber und Mierendorff wollte er die Kommunisten in eine breite Volksbewegung gegen den Nazismus einbeziehen. Bei einem zweiten Treffen mit Vertretern des kommunistischen Widerstands am 4. Juli 1944, von einem Gestapo-Spitzel verraten, wurde er verhaftet.
Vom „Kreisauer Kreis“, der politische und personelle Vorschläge für die Neuordnung Deutschlands nach dem Sturz Hitlers erarbeitet hatte, war Reichwein als Kultusminister vorgeschlagen worden. Für dieses Amt war er wegen seines beruflichen Werdegangs besonders geeignet: Am 3. Oktober 1898 in Bad Ems als Sohn eines Lehrers geboren, wurde er in der Jugendbewegung („Wandervogel“) zu unkonventionellem Denken und Handeln inspiriert. Durch die Schrecken des Weltkriegs (1917 als 18Jähriger schwer verwundet) wurde er zum Pazifisten und religiösen Sozialisten.
Öffnung der SPD für christliche Kreise
Durch praktische und wissenschaftliche Arbeit in der Erwachsenenbildung wurde er zu einem einflussreichen Reformpädagogen: Ausbau der Volkshochschulen, Bildung der Arbeiterjugend, Reform der Volksschullehrerbildung, 1930 bis zur Entlassung durch die Nazis 1933 Professor in Halle, danach reformpädagogische Arbeit als Volksschullehrer (interdisziplinärer Projektunterricht, Lernen in Natur und Betrieben, Lehrfilme, Museumsbesuche, Klassenfahrten).
In der SPD hatte Reichwein bei den religiösen Sozialisten um Paul Tillich, Eduard Heimann, Carlo Mierendorff aktiv mitgearbeitet. Mit ihren Bemühungen um ein neues Verhältnis zwischen Christentum und Sozialismus bereiteten sie die Öffnung der SPD für christliche Bevölkerungskreise vor, die schließlich 1959 im Godesberger Programm bestätigt wurde.