Geschichte

Abschied von Deutschlands führendem Kommunismusforscher

Der Historiker Hermann Weber ist am 29.12.2014 in seiner Heimat-stadt Mannheim gestorben. Er galt als Nestor der Kommunismus- und DDR-Forschung in Deutschland.
von Bernd Faulenbach · 9. Januar 2015

Er lebte - wie er retrospektiv schrieb - „nach dem Prinzip links“. Jahrzehntelang engagierte er sich für die SPD, unter anderem für die Historische Kommission beim Parteivorstand.

Frühe Zweifel am Stalinismus

Weber stammte aus einer Arbeiterfamilie. Sein Vater wurde als kommunistischer Widerstandskämpfer verfolgt. In der Nachkriegszeit arbeitete er für die KPD, besuchte 1947-49 die SED-Parteihochschule, wurde kommunistischer Funktionär und war zeitweilig Chefredakteur der FDJ-Zeitung. Allerdings kamen ihm früh Zweifel am Stalinismus. In den schwierigen Ablösungsprozess hinein fiel 1953 seine Verhaftung wegen illegaler Tätigkeit für die in Westdeutschland inzwischen verbotene FDJ. Er wurde nach einigen Monaten freigelassen, ohne dass gegen ihn ein Prozess eröffnet wurde.

Weber versuchte sich nach seinem Parteiausschluss aus der KPD mit publizistischen Arbeiten sowie Vorträgen in der Erwachsenenbildung zur Geschichte des Kommunismus durchzuschlagen. Obgleich er sich schnell als Dozent und Publizist einen Namen machte, holte Weber dann doch noch 1966-68 ein politikwissenschaftliches Studium nach, promovierte 1968, habilitierte sich 1979 und erhielt 1972 eine Dozentur - es gelang ihm der späte Einstieg in den Wissenschaftsbetrieb. 1974 wurde er auf einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Zeitgeschichte in Mannheim berufen. Hier entfaltete er eine vielfältige Lehr- und Forschungstätigkeit zur Geschichte des Kommunismus und der Arbeiterbewegung. Vor allem baute er den Arbeitsbereich DDR-Geschichte auf. Gleichzeitig veröffentlichte er grundlegende Darstellungen und Handbücher, die große Verbreitung fanden.

Sein Weg in die SPD

Weber besaß auch als Wissenschaftler stets einen politischen Standpunkt. Bereits 1955 trat er der SPD bei. Einige Jahre lang blieb er Vertreter eines Dritten Weges. Entschiedener Protagonist eines demokratischen Sozialismus vertrat er danach in Wort und Schrift eine gesellschaftsverändernde sozialdemokratische Reformpolitik. Als 1981 die Historische Kommission beim Parteivorstand eingerichtet wurde, berief die SPD-Führung ihn sogleich als Mitglied. Nach der Umwälzung 1989/90 spielte er eine wichtige Rolle im Prozess der Aufarbeitung der SED-Diktatur und wurde auf Vorschlag der SPD u.a. Mitglied der beiden dazu vom Bundestag eingerichteten Enquete-Kommissionen.

Hermann Webers Sicht des Kommunismus und der DDR war stets durch Nüchternheit und Illusionslosigkeit gekennzeichnet. Zwar vorrangig an den politischen Prozessen interessiert, war ihm der bei „Renegaten“ nicht selten anzutreffende Eifer fremd. Allerdings hat ihn seit den ausgehenden 40er Jahren die Frage bewegt, wie und warum eine Bewegung, die ursprünglich Freiheit und Gerechtigkeit anzielte, eine zutiefst inhumane politische Praxis und ein Herrschaftssystem mit ausgesprochen repressiven Zügen herausbilden konnte, das für Verbrechen mit zahlreichen Opfern verantwortlich ist.

 

Autor*in
Bernd Faulenbach

lehrt als Professor für Zeitgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er war Vorsitzender der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand.

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