Geschichte

6. April 1917: Als die Einheit der SPD zerbrach

Die Frage der Kriegskredite spaltete im Ersten Weltkrieg die Sozialdemokratie. Am 6. April 1917 entstand eine neue Partei: die USPD. Die Folgen dieser Spaltung prägten das 20. Jahrhundert und sind bis heute spürbar.
von Thomas Horsmann · 6. April 2017
Die USPD demonstriert: hier im Dezember 1918 vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Die USPD demonstriert: hier im Dezember 1918 vor dem Brandenburger Tor in Berlin.

Ostern 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, versammeln sich im SPD-eigenen „Volkshaus zum Mohren“ in Gotha 15 oppositionelle SPD-Reichstagsabgeordnete und Delegierte aus 91 sozialdemokratischen Wahlkreisorganisationen. Insgesamt drängen sich am Freitag, dem 6. April 1917, um 10 Uhr morgens 143 Teilnehmer der „Reichskonferenz der sozialdemokratischen Opposition“ im großen Saal.

Die Parteilinke spaltet sich ab

Die Reichskonferenz wird von der „Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft im Reichstag“ (SAG) um den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hugo Haase organisiert. Sie hat alle ­oppositionellen Gruppen innerhalb der SPD eingeladen, darunter auch die Spartakusgruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Insgesamt ist die Opposition, die sich in Gotha versammelt hat, sehr heterogen und reicht von gemäßigten bis zu radikalen Linken. Was Parteigrößen wie Liebknecht und Luxemburg, Haase, Karl Kautsky und Kurt Eisner verbindet, ist der Kampf gegen den Krieg.

Denn seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 28. Juli 1914 befindet sich die SPD in einem Dilemma. Soll sie zur internationalen Solidarität stehen oder das patriotische Deutschland im Kampf gegen dessen Feinde unterstützen? Die Doppelspitze der Partei aus Friedrich Ebert vom rechten Flügel und Haase vom linken pazifistischen Flügel kann den Konflikt eine Zeit lang verdecken.

Seit 1914 gilt der Burgfrieden

Noch kurz vor Kriegsausbruch agitiert der Parteivorstand gegen „das verbrecherische Treiben der Kriegshetzer“. Doch schon Ende Juli gibt sich auch die SPD patriotisch. So schreibt der „Vorwärts“ am 31. Juli 1914: „Wenn die verhängnisvolle Stunde schlägt, werden die vaterlandslosen Gesellen ihre Pflicht erfüllen und sich darin von den Patrioten in keiner Weise übertreffen lassen.“ Am 4. August stimmt die SPD-Fraktion, die größte im Reichstag, geschlossen für den ersten Kriegskredit, den das deutsche Kaiserreich zur Kriegsführung benötigt. Von nun an gilt der Burgfrieden, den die SPD mit den zerstrittenen Parteien des Reichstages und der kaiserlichen Regierung geschlossen hat. Während des Krieges werden alle politischen ­Konflikte und wirtschaftlichen Aus­einandersetzungen zurückgestellt.

Doch der linke pazifistische Flügel der Partei kann sich mit dieser Kriegspolitik nicht anfreunden. Bereits am 2. Dezember 1914 stimmt Karl Liebknecht mit „Nein“ gegen einen weiteren Kriegskredit. Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Franz Mehring unterstützen Liebknecht und gründen die oppositionelle „Gruppe Internationale“, aus der die Spartakusgruppe entsteht. Im März 1915 stimmen zwei Abgeordnete gegen neue Kriegskredite, im Dezember 1915 sind es 20 Abgeordnete. Nach einer weiteren solchen „Dis­zi­plinlosigkeit“ im März 1916 werden sie aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. 18 von ihnen gründen kurz darauf die „Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft im Reichstag“ (SAG). Vorsitzender ist der inzwischen zurückgetretene SPD-Chef Hugo Haase.

Die USPD existiert nur fünf Jahre

Am 18. Januar 1917 werden die Mitglieder der SAG und der Spartakusgruppe aus der SPD ausgeschlossen, da SPD-Chef Ebert überzeugt ist, dass die Oppositionellen eine Spaltung der SPD anstreben. Die Folge ist die Gründung der USPD in Gotha mit Haase als Vorsitzendem – ausgerechnet an dem Ort, an dem sich 1875 die Arbeiterbewegung zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), dem Vorläufer der SPD, zusammengeschlossen hatte.

Die USPD existiert jedoch nur fünf Jahre. Ende 1918 geht die Spartakusgruppe als Spartakusbund eigene Wege und gründet mit kleineren linksradikalen Gruppen die Kommunistische Partei Deutschlands. 1920 kehren bereits zahlreiche USPD-Mitglieder in die SPD zurück, 1922 geht der rechte Flügel der USPD in der SPD auf, während die Rest-USPD keine politische Rolle mehr spielt. Die Spaltung der Arbeiterbewegung ist allerdings bis heute erhalten geblieben.

Schlagwörter
Autor*in
Avatar
Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

0 Kommentare
Noch keine Kommentare