Geschichte

50 Jahre Kanzlerschaft: Mit Willy Brandt auf Deutschland-Tour

Willy Brandt gehört zu den Lichtgestalten der Sozialdemokratie. Berühmt wurde er durch seine Ostpolitik. Doch Frieden, Demokratie und Klimaschutz waren ebenso Herzensthemen des ehemaligen Kanzlers, wie eine neue Ausstellung der Bundeskanzler Willy-Brandt-Stiftung zeigt.
von Benedikt Dittrich · 2. Oktober 2019
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Er sei schon ein wenig entsetzt, sagt Kurator Stefan Paul-Jacobs, wenn er Schüler frage, wer denn Willy Brandt war. „Wenn da als Antwort Bundeskanzler kommt, kann man noch froh sein.“ Dass der ehemalige Kanzler der Bundesrepublik Deutschland aber viel, viel mehr als nur Regierungschef war, daran will die Bundeskanzler Willy-Brandt-Stiftung mit einer neuen Wanderausstellung erinnern.

Startpunkt ist dabei trotzdem zunächst die Kanzlerschaft des Sozialdemokraten: Am 21. Oktober 1969 wurde Willy Brandt erstmals zum Regierungschef gewählt. Was heute nahezu unvorstellbar scheint, machte Brandt möglich: Er schmiedete eine Koalition mit den Liberalen, FDP und SPD bildeten erstmals eine sozialliberale Koalition – aus einer ehemaligen großen Koalition heraus.

Heute, 50 Jahre später, stellt sich die Frage, was von Willy Brandt in Erinnerung bleibt. Dem ist die neue Ausstellung der Stiftung auf der Spur. „Man erreicht die Schüler vor allem über Themen“, sagt Stefan Paul-Jacobs im Gespräch mit dem „vorwärts“, „anders geht es gar nicht.“ Denn dass der Sozialdemokrat Brandt viel mehr als nur der Politiker war, der die Wende in der Ostpolitik einläutete und damit die friedliche Revolution sowie den Mauerfall vor 30 Jahren erst ermöglichte, ist nur ein Aspekt. Eine Politik, für die Brandt 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Genau diese Entspannungspolitik traf zu Brandts Zeiten aber noch auf erbitterten Widerstand vor allem von den Konservativen.

Umweltschutz als Herzensthema

„Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden“, zitiert Paul-Jacobs Willy Brandt und zeigt damit, dass selbst Unweltschutz und Ökologie zu seinen Herzensangelegenheiten gehörten. Es ist eines der Themen, über das Paul-Jacobs sagt: „Das ist heute aktueller denn je.“ Das Zitat allerdings stammt schon aus dem Jahr 1961, damals trat Brandt noch gegen Konrad Adenauer im Wahlkampf an.

Selbst der Austritt Großbritanniens aus der EU: Ohne Brandt wäre die heutige Debatte über den Brexit gar nicht denkbar, erklärt Jacobs: „Brandt war derjenige, der sich maßgeblich dafür eingesetzt hat, dass Großbritannien in die EU eingetreten ist.“ Der damalige Außenminister Großbritanniens, George Brown, soll 1967 zu seinem damaligen Amtskollegen Brandt gesagt haben: „Willy, you must get us in, so we can take the lead“, zitiert unter anderem der Historiker Bernd Rother, der die Ausstellung mit ausgearbeitet hat, in seinen Büchern. Fünf Jahre später wurden die Beitrittsurkunden in Großbritannien unterzeichnet, Brandt war unterdessen zum Kanzler gewählt worden.

In der Wahrnehmung von Bernd Rother ist Brandt auf globaler Ebene sogar bekannter als Konrad Adenauer und Helmut Kohl. „Er überragt alle anderen“, erklärt er. Auch innerhalb der Partei ist die Erinnerung an die SPD-Ikone weiterhin lebendig. Rother erinnert mit einem Augenzwinkern an den Wahlkampf von 1972: „Damals lag die SPD im Wahlkampf zunächst weit hinten.“ Doch die Sozialdemokraten unter Brandt schafften die Wende, die sozialliberale Koalition konnte weiterregieren, ging sogar gestärkt aus der Wahl hervor.

Egal ob Klima-, Friedens- oder Europapolitik – über all diese Themen zerbrach sich Brandt schon den Kopf. Um die Erinnerung an den Friedensnobelpreisträger wach zu halten, müsste das stärker betont werden, erklärt Jacobs bei der Ausstellungseröffnung. „Die haben Willy Brandt sein Leben lang beschäftigt“, betont er. Gerade für die jüngeren Generationen sei das notwendig die Brandt als Person nur noch aus Geschichtsbüchern kennen.

Austellung in Bonn, Kassel, Erfurt, Köln und Heidelberg zu Gast

Die neue Wanderausstellung zu Willy Brandt ist derzeit am Interimsstandort der Stiftung in Berlin zu sehen. Die Räume an der Behrenstraße sind unter der Woche für den Publikumsverkehr geöffnet. Der ursprüngliche Standort Unter den Linden wird derzeit abgerissen und neu aufgebaut.

Während das Programm in dem Berliner Forum wechselt, gehen die Brandt-Exponate auf Wanderschaft: Ab dem 22. Oktober sind sie bis Mitte November im Paul-Löbe-Haus des Bundestags zu sehen, bevor sie dann deutschlandweit ausgestellt werden. Die Ausstellungsorte sind ebenfalls historisch mit Brandt verknüpft: Neben der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn (ab dem 12. November) sind auch Kassel und Erfurt vertreten – die Orte, an denen sich die damaligen Regierungschefs der DDR und der BRD erstmals gegenseitig besuchten. Weitere Stationen der Ausstellung „Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer“ sind Köln und Heidelberg.

Geplant ist außerdem eine internationale Ausstellungsreihe, erklärt Jacobs. Moskau steht als ein Ort bereits fest, Gespräche gebe es aber auch mit Südkorea, lässt der Kurator schon durchblicken. Es ist auch ein Zeichen dafür, wie berühmt der deutsche Kanzler auch über die deutschen und europäischen Grenzen hinaus immer noch ist.

Das Jubiläum der Kanzlerschaft von Willy Brandt wird darüber hinaus mit weiteren Vorträgen und Debatten in diesem und den folgenden Jahren begleitet. Das gesamte Programm der Willy-Brandt-Stiftung ist auf der Homepage der Stiftung einsehbar.

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