26 Jahre Willy-Brandt-Haus: SPD war als erste Partei in Berlin
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Schon von Weitem ist hoch über dem gläsernen, spitz zulaufenden Gebäude die rote Fahne zu sehen. Menschen drängen sich am Eingang zur Wilhelmstraße 140, die hier mit den Fahnen der EU, Deutschlands, Berlins und der SPD geschmückt ist. Innen, im eleganten, lichtdurchfluteten Foyer des dreiseitigen „Tortenstücks“, sind alle Plätze besetzt, ringsum stehen dicht an dicht weitere Gäste. Insgesamt sind an diesem 10. Mai 1996 mehr als 1.000 Gäste der Einladung der SPD nach Berlin-Kreuzberg gefolgt.
Für die SPD schließt sich der Kreis
Pünktlich um 11 Uhr tritt die Bauherrin, SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, ans Rednerpult und eröffnet die neue 105 Millionen Mark teure Parteizentrale. Mit der Fertigstellung des Willy-Brandt-Hauses kehre die SPD mit ihrem zentralen Sitz nach Berlin zurück, wo sie diesen 1890 erstmals hatte. Unter der überlebensgroßen Statue Willy Brandts von Rainer Fetting, die das Foyer beherrscht, sagt SPD-Chef Oskar Lafontaine: „Für die SPD schließt sich nun der Kreis, in Berlin vereinen sich die Erfahrungen der Vorkriegsgeschichte, der Teilung Deutschlands und des demokratischen Neuanfangs. Wir wollen mit dem Willy-Brandt-Haus einen Beitrag leisten, die Menschen der Stadt und des ganzen Landes zusammenzubringen.“
Die SPD ist die erste „Bonner“ Partei, die nach der Wiedervereinigung ihren Sitz nach Berlin verlegt – noch vor CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Planungen für die neue Parteizentrale beginnen bereits im Juni 1991, kurz nach der Entscheidung des Bundestags, nach Berlin umzusiedeln. 1992 erwirbt die Partei das 3.200 Quadratmeter große Grundstück Wilhelmstraße/Ecke Stresemannstraße. Es liegt mitten im pulsierenden Kreuzberg, dort wo die Menschen leben, für die die SPD Politik macht. Es ist nicht weit von der alten Parteizentrale im Vorwärts-Haus in der Lindenstraße 3 entfernt und doch nah genug an den Zentralen der Macht.
Willy-Brandt-Haus in Rekordzeit errichtet
Nach nur 30 Monaten Bauzeit wird das 20.000 Quadratmeter große Energiesparhaus mit höchsten ökologischen Ansprüchen im Frühjahr 1996 fertiggestellt. Der Entwurf des transparenten, sechsgeschossigen Gebäudes stammt vom Architekten Helge Bofinger, der den Wunsch der SPD nach einem offenen Haus genial erfüllt und einen bürgernahen Versammlungs-, Diskussionsund Ausstellungsort schafft. So nutzt die Partei nur die obersten vier Stockwerke. Die restlichen Räume sind teils an externe Unternehmen, Institutionen, Läden und ein Bistro vermietet, teils stehen sie für Kunstausstellungen und Events zur Verfügung. Sie werden unter anderem vom Freundeskreis Willy-Brandt-Haus genutzt, den Inge Wettig-Danielmeier und Klaus Wettig 1996 weitsichtig initiieren. Dem Verein und seinem Team um die künstlerische Leiterin Gisela Kayser gelingt es seither, das Willy-Brand-Haus zu einem international anerkannten Ort der Begegnung zu machen.
Bedeutende Ausstellungen in der Hauptstadt
Dazu tragen im Wesentlichen die mehr als zehn Fotoausstellungen pro Jahr zu wissenschaftlichen, politischen und sozialen Themen bei, die mit herausragenden Bildern engagierter internationaler Fotografen bestückt sind. Im Zentrum stehen dabei immer die sozialen Aspekte des Themas. Die aktuelle Ausstellung „Lonka“, eine fotografische Hommage an die Holocaust-Überlebenden, ist ein gutes Beispiel dafür. Ausdrucksstark, hervorragend fotografiert und tief bewegend. Andere Themen sind Plastikmüll, Glyphosat oder DDR-Mode. Jedes Jahr werden auch die „World Press Photo Awards“ präsentiert. Der Verein betreut zudem die Kunstsammlung im Willy-Brandt-Haus, die inzwischen 2.500 Werke umfasst.
Als der Parteivorstand im Sommer 1999 gleichzeitig mit Regierung und Bundestag endgültig von Bonn nach Berlin umzieht, ist das Willy-Brandt-Haus längst fest im Kiez verwurzelt und zieht jährlich mit seinem Kulturangebot gut 60.000 Besucherinnen und Besucher aus aller Welt an.