Geschichte

25 Jahre SPE: Ein starkes Stück Europa

Am 9. November 1992 wird die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) gegründet. Als stärkste Kraft prägte sie die europäische Politik, heute kämpft sie gegen wachsenden Rechtspopulismus.
von Klaus Hänsch · 9. November 2017
25 Jahre SPE
25 Jahre SPE

Organisatorisch ist die Gründung der SPE 1992 überfällig. Neun Monate zuvor war der Vertrag von Maastricht unterzeichnet worden. Durch ihn werden erstmals „politische Parteien auf europäischer Ebene“ Vertragsrang erhalten, die „dazu beitragen, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen“. Um diesem Mandat zu entsprechen, wird aus dem lockeren „Bund sozialdemokratischer Parteien“ eine europäische Partei mit gewähltem Vorsitz, Präsidium und Kongress. Wohl auch, um fortan Anspruch auf Förderung aus dem EU-Haushalt zu haben. Schließlich sind nicht alle Schwesterparteien so finanzstark und beitragswillig wie die SPD.

Eine neue Dimension

Im Vordergrund des neuen Vertrages stehen zwar Währungsunion, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie innen- und justizpolitische Zusammenarbeit. Aber er verleiht der Union auch eine neue – wenngleich begrenzte – soziale Dimension mit dem Sozialprotokoll, den Bestimmungen zu Beschäftigungspolitik, der Freizügigkeit und kommunalem Wahlrecht für EU-Bürger. Das Europäische Parlament erhält erste gesetzgebende Kompetenzen auch in der EU-Umwelt-, Verbraucher- und Sozialpolitik. Da ist es wichtig, für die Sozialistische Fraktion eine gemeinsame parteipolitische Basis zu schaffen.

Der Kalte Krieg ist 1992 zu Ende, Warschauer Pakt und Sowjetunion sind aufgelöst. Die sozialdemokratisch geführten Länder Finnland, Österreich und Schweden stehen vor dem Beitritt zur EU. Die Staaten Mittel- und Osteuropas bereiten Beitrittsanträge vor. Den sozialdemokratischen Formationen, die sich dort entwickeln, sollen Orientierung, Unterstützung und Einbindung angeboten werden. Die europäische Sozialdemokratie hat den Anspruch, auf diese geostrategisch-gesellschaftlich geballte Herausforderung gemeinsam zu antworten.

Politische Kraft und persönliche Autorität

Wenige Wochen vor der Gründung der SPE war Willy Brandt gestorben, aber sein Ansehen leuchtete europaweit mit unverminderter Stärke und gab auch der SPD Glanz und Gewicht. Und die sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs oder Parteiführer jener Zeit verfügen über enorme politische Kraft und persönliche Autorität: Nicht zu nölender Nostalgie, sondern zur erinnernden Ermunterung seien genannt: François Mitterrand, Felipe Gonzáles, Mario Suárez, Franz Vranitzky, Andreas Papandreou, Wim Kok, Ingvar Carlsson und Göran Persson, Martti Ahtisaari und Paavo Lipponen. Der Präsident der EU-Kommission, Jacques Delors, steht 1992 im Zenit seines Wirkens. Und im Europäischen Parlament stellen die Abgeordneten der SPE mit fast 35 Prozent die weitaus stärkste Fraktion.

Die reale politische Zusammenarbeit findet zwar immer in der Sozialistischen Fraktion statt, aber die SPE bleibt nicht einflusslos. Sie führt an den Vorabenden der EU-Gipfel die sozialdemokratischen Staats-und Regierungschefs zusammen und bewirkt so wachsendes gegenseitiges Verständnis. Sie formuliert vor den Wahlen zum Europäischen Parlament gemeinsame Wahlplattformen, wenngleich mit Einschränkungen und Vorbehalten. Und sie stellt mit Martin Schulz für die Europawahl 2014 erstmals einen gemeinsamen Spitzenkandidaten auf.

SPE - die Hoffnung für Europa

Die SPE will der Einigung Europas immer auch eine größere soziale Dimension geben. Dass sich ihre Parteien in einer Reihe wichtiger Mitgliedstaaten selbst zerlegen, ist eine Tragödie. Den sozialen Ausbau der Union durchzusetzen, wird schwieriger. Vielmehr muss die SPE sich dem Rückbau zum bloßen Binnenmarkt entgegenstellen und die neonationalistische Versumpfung Europas und den zunehmenden Rechtspopulismus verhindern. Der Auftrag bleibt, dass die SPE zur Plattform wird für eine neue, schwierige europaweite Debatte, welche die Union in Europa und in der Welt über Macht und Markt hinausweist.

Autor*in
Klaus Hänsch

war von 1994 bis 1997 Präsident des Europäischen Parlamentes.

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