Anfang des Jahres 1946 hörte die SPD in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) auf, als selbstständige demokratische Partei zu existieren. Die schon am 15. Juni 1945 in Berlin neu gegründete
SPD war unter Führung des Zentralausschusses (ZA) mit Otto Grotewohl in der SBZ schnell zur stärksten Partei mit dem größten Rückhalt in der Bevölkerung geworden. Wie konnten die Delegierten auf
dem 40. Parteitag der SPD am 20. April 1946 in Berlin dem Ende dieser erfolgreichen Partei zustimmen?! Böswillige Kritiker sehen darin den Beweis für die Propagandalüge, Sozialdemokraten seien nur
unzuverlässige Verteidiger von Freiheit und Demokratie.
Im Interesse der historischen Wahrheit ist daher 60 Jahre nach diesen tragischen Ereignissen daran zu erinnern: Die Mitglieder und Funktionäre der SPD in der SBZ haben sich nicht in einem
freien Meinungs- und Willensbildungsprozess für die Vereinigung mit der KPD entschieden. Die SED wurde im April 1946 geschaffen, weil die sowjetische Besatzungsmacht, unterstützt von der KPD, die
SPD als selbständigen demokratischen Machtfaktor ausschalten wollte.
Bis zum Februar 1946 hoffte auch der ZA der SPD in der SBZ, die von der Besatzungsmacht und der KPD geforderte schnelle Vereinigung beider Parteien verhindern oder wenigstens hinauszögern zu
können. Am 11. November 1945 hatte Otto Grotewohl bei einer Veranstaltung der SPD zur Erinnerung an die Novemberrevolution 1918 Bedingungen formuliert, an denen die SPD bis Anfang Februar 1946
kompromisslos festgehalten hat: Da eine ,,zonenmäßige Vereinigung" die deutsche Einheit gefährde, könne darüber nur auf "Reichsebene" von allen deutschen Sozialdemokraten entschieden werden.
Vor der "Sechziger Konferenz" - je 30 Vertreter von SPD und KPD - am 20. und 21. Dezember 1945 in Berlin hatte der ZA diesen Vorbehalt bekräftigt und gefordert, "mindestens bei den ersten
kommenden Wahlen auf gemeinsame Listen (die die KPD forderte!) zu verzichten". Am 15. Januar 1946 bekräftigte der ZA noch einmal in einem Beschluss die unverzichtbaren Bedingungen der SPD in der
SBZ: Vereinigung "nur durch den Beschluss eines Reichsparteitages" und "getrennte Listen" bei etwaigen Wahlen. Dieser Beschluss, der wie schon die Rede Grotewohls vom 11. November 1945 nicht
veröffentlicht werden durfte, konnte den Spitzenfunktionären der SPD nur in einem Rundschreiben des ZA vom 17. Januar 1946 mitgeteilt werden.
Außer diesen Zensurmaßnahmen verschärften die örtlichen Kommandanturen durch Einschüchterungs- und Bestechungsversuche den Druck auf die SPD-Funktionäre. Anfang Februar machte Marschall
Shukow bei einem Gespräch in Karlshorst Grotewohl unmissverständlich klar, dass er bis Ende Februar die Zustimmung zur Einheitspartei erwarte. Als am 10. Februar in Berlin der ZA und Vertreter der
Landesverbände zusammentraten, war allen klar, dass sie keine Handlungsfreiheit mehr besaßen. Daher stimmte die Mehrheit am 11. Februar der unabwendbaren baldigen (,,Zwangs-)Vereinigung in der
Hoffnung zu, der SPD einen möglichst großen Einfluss in der SED zu sichern.
Von Horst Heimann (Quelle: vorwärts 2/2006)
0
Kommentare
Noch keine Kommentare