Bereits am 19. April 1945, fast drei Wochen vor Kriegsende, beschlossen Kurt Schumacher und einige andere Genossen bei einem Treffen in Hannover die Wiedergründung der SPD. Auf dem Parteitag
vom 9. bis 11. Mai 1946 in Hannover wurde der Wiederaufbau der Partei dann formal vollendet: Delegierte aus den Westzonen und Berlin wählten Kurt Schumacher zum Vorsitzenden der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (faktisch nur der Westzonen und Berlins) und Erich Ollenhauer vom Exilvorstand, der im Februar nach Deutschland zurückgekehrt war, zum Stellvertreter. Ende
1946 hatte die SPD über 700 000 Mitglieder, mehr als 1931 auf dem Gebiet der Westzonen. Vor allem drei Faktoren hatten im zerstörten Deutschland den schnellen Wiederaufbau der SPD zur Mitglieder-
und Programmpartei ermöglicht: Der Exilvorstand in London, die Motivationskraft der sozialistischen Ideen und die überragende Persönlichkeit Kurt Schumachers.
Der Exilvorstand der SPD unter Hans Vogel und Erich Ollenhauer (seit 1940 in London) konnte zwar im Krieg kaum noch Kontakte zu den Sozialdemokraten in Nazi-Deutschland aufrechterhalten. Aber
in intensiven Diskussionsprozessen gelang es ihm, die in der Endphase der Weimarer Republik abgespaltenen linkssozialistischen Gruppen und Parteien in der "Union deutscher sozialistischer
Organisationen" zusammenzufassen. Für den gemeinsamen Wiederaufbau nach Kriegsende wurden so nicht nur diese Organisationen wieder in die SPD integriert, sondern auch herausragende Persönlichkeiten
zurückgewonnen, wie z. B. Willy Brandt, Willy Eichler, Fritz Erler und Waldemar von Knoeringen. Damit war sichergestellt, dass die SPD als einheitliche Organisation aller Sozialdemokraten
wiedergegründet werden konnte. Allerdings konnte der SPD-Exilvorstand in London den organisatorischen Wiederaufbau der Partei im befreiten und besetzten Deutschland zunächst nicht praktisch
unterstützen.
Ideen und
Wertegemeinschaft
Doch die Motivationskraft der sozialistischen Ideen machte diesen Mangel mehr als wett: Die Sozialdemokratie musste zwar als gut organisierte Partei quasi aus dem Nichts wiedergegründet
werden; aber als Ideen- und Wertegemeinschaft hatte sie zwölf Jahre Naziterror überlebt. Der schnelle Wiederaufbau der SPD 1945/46 bestätigte den historischen Optimismus von Otto Wels: Am 23. März
1933, als nur die SPD-Abgeordneten Hitlers Ermächtigungsgesetz ablehnten, hatte er, trotz machtpolitischer Ohnmacht, zuversichtlich erklärt: "Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen,
die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten." Es waren diese Ideen, die nach der Befreiung tausende Sozialdemokraten motivierten, sich spontan und "basisdemokratisch" politisch zu engagieren, und
unter widrigen Umständen die älteste demokratische Partei Deutschlands wieder aufzubauen.
Dem Engagement von Kurt Schumacher ist es zu verdanken, dass er diese basisdemokratischen Aktivitäten integrierte und die SPD als Mitglieder- und Programmpartei zu einem Machtfaktor für den
Neuaufbau Deutschlands machte. Kurt Schumacher, bis 1933 Reichstagsabgeordneter, nach elf Jahren KZ-Haft körperlich zwar geschwächt, aber geistig ungebrochen, wurde nicht nur für die
organisatorische Stärkung, sondern auch für die intellektuell-programmatische Orientierung der SPD zu einer charismatischen Persönlichkeit im Nachkriegsdeutschland.
Da in den Westzonen überregionale parteipolitische Aktivitäten verboten blieben, lud nicht die SPD, sondern nur das "Büro Schumacher" für den 5. bis 7. Oktober 1945 sozialdemokratische
Funktionäre aus allen Teilen Deutschlands nach Wennigsen zu einer Konferenz ein, an der auch Ollenhauer vom Exilvorstand und eine Delegation unter Grotewohl aus der Ostzone teilnahmen. Erstes
Anzeichen für eine künftige Ost-West-Spaltung war es, dass Schumacher zum Beauftragten für die Westzonen gewählt wurde und das "Büro-Schumacher" zum "Büro der Westzonen" wurde. Schon bei der
Wiedergründung des Ortsvereins Hannover am 6. Mai 1945 formulierte Schumacher seine sowohl antikommunistische als auch antikapitalistische Position für die Nachkriegspolitik der SPD: Keine
Einheitspartei mit den Kommunisten und Überwindung des Kapitalismus durch den Sozialismus.
Von Horst Heimann
Quelle: vorwärts 4/2005
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