Geschichte

1945: Die SPD gründet sich neu

von Die Redaktion · 8. Dezember 2005
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Bereits am 19. April 1945, fast drei Wochen vor Kriegsende, beschlossen Kurt Schumacher und einige andere Genossen bei einem Treffen in Hannover die Wiedergründung der SPD. Auf dem Parteitag vom 9. bis 11. Mai 1946 in Hannover wurde der Wiederaufbau der Partei dann formal vollendet: Delegierte aus den Westzonen und Berlin wählten Kurt Schumacher zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (faktisch nur der Westzonen und Berlins) und Erich Ollenhauer vom Exilvorstand, der im Februar nach Deutschland zurückgekehrt war, zum Stellvertreter. Ende 1946 hatte die SPD über 700 000 Mitglieder, mehr als 1931 auf dem Gebiet der Westzonen. Vor allem drei Faktoren hatten im zerstörten Deutschland den schnellen Wiederaufbau der SPD zur Mitglieder- und Programmpartei ermöglicht: Der Exilvorstand in London, die Motivationskraft der sozialistischen Ideen und die überragende Persönlichkeit Kurt Schumachers.

Der Exilvorstand der SPD unter Hans Vogel und Erich Ollenhauer (seit 1940 in London) konnte zwar im Krieg kaum noch Kontakte zu den Sozialdemokraten in Nazi-Deutschland aufrechterhalten. Aber in intensiven Diskussionsprozessen gelang es ihm, die in der Endphase der Weimarer Republik abgespaltenen linkssozialistischen Gruppen und Parteien in der "Union deutscher sozialistischer Organisationen" zusammenzufassen. Für den gemeinsamen Wiederaufbau nach Kriegsende wurden so nicht nur diese Organisationen wieder in die SPD integriert, sondern auch herausragende Persönlichkeiten zurückgewonnen, wie z. B. Willy Brandt, Willy Eichler, Fritz Erler und Waldemar von Knoeringen. Damit war sichergestellt, dass die SPD als einheitliche Organisation aller Sozialdemokraten wiedergegründet werden konnte. Allerdings konnte der SPD-Exilvorstand in London den organisatorischen Wiederaufbau der Partei im befreiten und besetzten Deutschland zunächst nicht praktisch unterstützen.

Ideen und

Wertegemeinschaft

Doch die Motivationskraft der sozialistischen Ideen machte diesen Mangel mehr als wett: Die Sozialdemokratie musste zwar als gut organisierte Partei quasi aus dem Nichts wiedergegründet werden; aber als Ideen- und Wertegemeinschaft hatte sie zwölf Jahre Naziterror überlebt. Der schnelle Wiederaufbau der SPD 1945/46 bestätigte den historischen Optimismus von Otto Wels: Am 23. März 1933, als nur die SPD-Abgeordneten Hitlers Ermächtigungsgesetz ablehnten, hatte er, trotz machtpolitischer Ohnmacht, zuversichtlich erklärt: "Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten." Es waren diese Ideen, die nach der Befreiung tausende Sozialdemokraten motivierten, sich spontan und "basisdemokratisch" politisch zu engagieren, und unter widrigen Umständen die älteste demokratische Partei Deutschlands wieder aufzubauen.

Dem Engagement von Kurt Schumacher ist es zu verdanken, dass er diese basisdemokratischen Aktivitäten integrierte und die SPD als Mitglieder- und Programmpartei zu einem Machtfaktor für den Neuaufbau Deutschlands machte. Kurt Schumacher, bis 1933 Reichstagsabgeordneter, nach elf Jahren KZ-Haft körperlich zwar geschwächt, aber geistig ungebrochen, wurde nicht nur für die organisatorische Stärkung, sondern auch für die intellektuell-programmatische Orientierung der SPD zu einer charismatischen Persönlichkeit im Nachkriegsdeutschland.

Da in den Westzonen überregionale parteipolitische Aktivitäten verboten blieben, lud nicht die SPD, sondern nur das "Büro Schumacher" für den 5. bis 7. Oktober 1945 sozialdemokratische Funktionäre aus allen Teilen Deutschlands nach Wennigsen zu einer Konferenz ein, an der auch Ollenhauer vom Exilvorstand und eine Delegation unter Grotewohl aus der Ostzone teilnahmen. Erstes Anzeichen für eine künftige Ost-West-Spaltung war es, dass Schumacher zum Beauftragten für die Westzonen gewählt wurde und das "Büro-Schumacher" zum "Büro der Westzonen" wurde. Schon bei der Wiedergründung des Ortsvereins Hannover am 6. Mai 1945 formulierte Schumacher seine sowohl antikommunistische als auch antikapitalistische Position für die Nachkriegspolitik der SPD: Keine Einheitspartei mit den Kommunisten und Überwindung des Kapitalismus durch den Sozialismus.

Von Horst Heimann

Quelle: vorwärts 4/2005

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