1931: SPD und Gewerkschaften mit „Eiserner Front“ gegen die Nazis
bpk | Bayerische Staatsbibliothek
Es ist Mittwoch, der 16. Dezember 1931. In Berlin-Tiergarten haben sich im Saal des Reichswirtschaftsrats in der Bellevuestraße 15 die Bundesausschüsse der freien Gewerkschaften, der Arbeitersport-Organisationen, des Reichsbanners und der Sozialdemokratie versammelt. Die Stimmung ist angespannt. Gewerkschafter und Sozialdemokraten wollen sich gegen die Nazis und Republikfeinde, die die Straße beherrschen, aktiv wehren. Einstimmig wird die „Eiserne Front“ gegründet. Der SPD-Vorsitzende Otto Wels spricht als letzter Redner: „Die eiserne Front der Arbeiter beugt sich nicht!“, ruft er in den Saal. Sie werde für ein freies Deutschland und die Republik, gegen den Faschismus und gegen die Not der Arbeiter kämpfen.
Blick zurück: Das Deutsche Reich ist von der Weltwirtschaftskrise schwer getroffen. Seit 1929 wächst die Zahl der Arbeitslosen rasant, Millionen Arbeiter können ihre Familien nicht mehr ernähren. Die Unzufriedenheit wächst. Die von Reichskanzler Hermann Müller (SPD) geführte große Koalition zerbricht 1930. An ihre Stelle tritt eine Minderheitsregierung unter Heinrich Brüning (Zentrum), die einerseits von den Notverordnungen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg abhängig ist; andererseits von der Tolerierung durch die SPD.
„Eiserne Front“ als Reaktion auf den „Stahlhelm“
Brüning nimmt das Elend der Arbeitslosen in Kauf, um die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu bewegen, auf die hohen Reparationszahlungen zu verzichten. Faschisten, Monarchisten und Kommunisten nutzen die Lage, um mit Verschwörungstheorien und allen Mitteln moderner Propaganda, die verhasste Republik zu bekämpfen. Die SPD, mit 24 Prozent die größte Fraktion im Reichstag, sieht sich als Verfassungspartei, die für Republik, Vernunft und Rechtsstaatlichkeit steht.
Am 11. Oktober 1931 schließen sich im Kampf gegen die Weimarer Republik rechtsradikale Parteien und Verbände, darunter die NSDAP und der „Stahlhelm“, in der „Harzburger Front“ zusammen. Massenaufmärsche, Straßenschlachten und Schlägereien sind an der Tagesordnung. „Stahlhelm“, SA und SS sind gut organisiert und ausgerüstet, unterhalten Waffenlager – und sie arbeiten zusammen.
Als Reaktion darauf entsteht nun im Dezember 1931 die „Eiserne Front“. Sie wird vom sozialdemokratisch dominierten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, dem Bund aktiver Demokraten, initiiert: „Wir schaffen die ‚Eiserne Front‘. Der Front der Staatsfeinde muss die ‚Eiserne Front‘ der staatstreuen Bürger entgegengestellt werden“, heißt es im Aufruf an alle demokratischen Kräfte. Doch das bürgerliche Lager ignoriert das neue Bündnis, die Liberalen sind gespalten.
Otto Wels übernimmt die politische Führung
Die Sozialdemokratie und die ihr nahestehende Organisationen nehmen den Kampf allein auf. SPD-Chef Wels übernimmt die politische Führung der „Eisernen Front“, die technische Leitung der Reichsbanner-Vorsitzende und Sozialdemokrat Karl Höltermann. Das Bündnis sieht sich als das gemeinsame Dach der Linken im Kampf gegen den Faschismus. Doch nicht die ganze Linke ist in dem Bündnis vereint: Die Kommunisten bleiben abseits und bekämpfen Regierung und Demokratie.
Die „Eiserne Front“ unterstützt 1932 die SPD in den Wahlkämpfen, um Hitler und die NSDAP abzuwehren. Besondere Kraft entwickelt das Logo der drei Freiheitspfeile auf rotem Grund, das von Sergej Tschachotin und Carlo Mierendorff entwickelt wird. Die Pfeile symbolisieren Partei, Gewerkschaft und Reichsbanner. Doch trotz des enormen Einsatzes aller Sozialdemokraten und Gewerkschafter in den insgesamt drei Wahlkämpfen wird die NSDAP zur stärksten Fraktion im Reichstag. Das Ende der Republik kommt 1933. Gegen die Stimmen der SPD wird mit dem Ermächtigungsgesetz der Reichstag entmachtet. Alle Parteien werden verboten, ebenso die „Eiserne Front“.