Debatte

Wie sich Parteien für junge Menschen ändern müssen

Junge Menschen halten Parteien für wichtig, haben aber keine Lust, sich parteipolitisch zu engagieren. Das liegt an der Lebenseinstellung der Jungen, aber auch am Auftreten der Parteien. Wollen sie für Jugendliche attraktiv werden, müssen sie sich ändern.
von Martina Gille · 3. Mai 2017
Die Shell-Jugendstudie befragt junge Menschen zu ihren Lebenswelten.

Die Shell-Jugendstudie befragt junge Menschen zu ihren Lebenswelten.

Es klingt paradox: Obwohl nur drei Prozent der jungen Menschen in Deutschland Mitglied in einer politischen Partei sind – wie Ergebnisse der FES-Jugendstudie 2015 zeigen –, halten 80 Prozent der 14- bis 29-Jährigen die Parteien für einen wesentlichen Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Das zeigt: Das Meinungsbild über Parteien ist von Ambivalenzen und Unsicherheiten geprägt. Als positiv wird ihre Rolle insoweit gesehen, dass sie als wichtige „Orte der Meinungsbildung, der gesellschaftlichen Diskussion und Entscheidungsfindung“ (Zustimmung: 56 Prozent) sowie als „demokratisch geregelte Organisationen, zuständig für die Bereitstellung von politischem Personal“ betrachtet werden (Zustimmung: 42 Prozent).

Kritischer Blick der Jungen auf die Parteien

Knapp ein Drittel der Jungen ist der Meinung, dass die Parteien dazu ermutigen, in der Politik aktiv zu werden. Diesen positiven Einschätzungen steht aber eine deutlich kritische Bewertung entgegen: Knapp die Hälfte der Befragten stimmt der Aussage zu, dass die Parteien „von Finanzwelt und Industrie durchdrungene Institutionen der Mächtigen“ seien. Eine Herausforderung für eine lebendige parlamentarische Demokratie ist, dass ein Viertel der jungen Menschen gar keine „Vorstellung von der Rolle der Parteien“ hat und unsicher ist über die Funktionen von Parteien im politischen System.

Wenn man junge Menschen nach der Wirksamkeit verschiedener politischer Beteiligungsformen fragt, wird die Mitarbeit in einer Partei nur von einem Drittel als effektiv angesehen. Die „Teilnahme an einer Wahl“ wird hingegen von einem weit größeren Anteil, nämlich von 71 Prozent, für bedeutsam gehalten, um politischen Einfluss auszuüben. Der politische Konsum („Produkte aus politischen, ethischen oder Umweltgründen zu boykottieren oder zu kaufen“), die Beteiligung an einer Unterschriftensammlung oder auch die Teilnahme an einer Demonstration werden von den jungen Leuten für wirksamer gehalten als die Mitarbeit in einer Partei (mit Zustimmungswerten von knapp über 40 Prozet). Eine Online-Beteiligung wie zum Beispiel „Über das Internet auf politische Themen aufmerksam zu machen“ wird von einem knappen Drittel als politisch erfolgreich angesehen.

Was können Parteien tun, um für junge Menschen attraktiver zu werden?

Für junge Menschen stehen die Herausforderungen der beruflichen und schulischen Qualifikation sowie die Gestaltung von Freundschafts- und Partnerschaftsbeziehungen an erster Stelle. Der Lebensbereich Politik ist eher nachrangig. Daher überrascht es nicht, dass 83 Prozent der 14- bis 29-Jährigen einfach „keine Lust“ haben in Parteien mitzuarbeiten. 69 Prozent gaben an, die Parteirepräsentanten seien vor Ort zu unbekannt. 59 Prozent nannten als Grund, Politikerinnen und Politiker seien zu abgehoben. Ganz praxisbezogen gaben 82 Prozent der Befragten an, es sei nicht klar, wie man sich in Parteien einbringen könne.

Wenn Parteien für Jugendliche attraktiv sein wollen, sollten sie deshalb mehr Gelegenheiten zur Mitarbeit ohne Mitgliedschaft (46 Prozent) anbieten. Außerdem sollten die Parteien mehr junge Menschen mit ihren Themen sichtbar machen (41 Prozent). Sie sollten auch der wertgebundenen Engagementbereitschaft junger Menschen etwas anbieten. Die hohe Aktivität beim politischen Konsum und auch die generell hohe Bereitschaft zum Engagement (wie Demonstrationen oder Unterschriftensammlungen) unterstreichen diesen Befund.

Jugend und Politik heute: differenziert positioniert  – was tun?

Die Tatsache, dass unsere Gesellschaft insgesamt –- und ebenso deren junger Teil – stark ausdifferenziert ist, führt dazu, dass Parteien nicht eine schlicht jugendbezogene Strategie entwickeln können, um Jugendliche zu erreichen. Mit einer Maßnahme, einem Angebot, einer Satzungsänderung oder einem neuen, jungen Gesicht alle Jugendlichen auf einmal erreichen zu wollen, wäre nicht erfolgversprechend. Eher ginge es darum, Erklärungen und Positionierungen zu Ungleichheit, Gerechtigkeit, Ökologie, Fragen der Steuerung von Wirtschaft und Finanzwelt, zu regionalen Problemen und den Herausforderungen für die junge Generation zu finden, um das Engagement in Parteien als strategische, sinnvolle und wirksame Handlungsoption für junge Menschen zu vermitteln.

Autor*in
Martina Gille

ist wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut (DJI) und Leiterin des Kompetenzteams Jugend im Rahmen des Projekts AID:A.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare