Debatte

Wie eine Kindergrundsicherung für mehr Gerechtigkeit für Alleinerziehende sorgt

Alleinerziehende in Deutschland leben fünfmal häufiger in Armut als Paarhaushalte und mit ihnen fast eine Million Kinder. Das ist nicht gerecht, sagt Solveig Schuster vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter – und fordert die Einführung einer Kindergrundsicherung.
von Solveig Schuster · 28. Juli 2016
Alleinerziehende
Alleinerziehende

Ist es gerecht, wenn Kinder verarmen, weil ihre Eltern sich trennen? Die im Juli von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegte Studie zur Lage Alleinerziehender legt den Finger in die Wunde und untermauert erschütternde Daten: Kinder getrennter Eltern haben ein fünfmal höheres Risiko in Armut aufzuwachsen als Kinder in Paarfamilien, heißt es dort. Fast 38 Prozent der Alleinerziehenden und mit ihnen knapp eine Million Kinder leben von Hartz IV.

Die Zukunftschancen allein erzogener Kinder sinken

Bei den knappen Regelsätzen bedeutet das, jeden Euro zweimal umdrehen zu müssen. Vor allem Dinge, die das Leben bereichern, können sich viele Einelternfamilien nicht leisten. Damit reduziert sich nicht nur die Lebensqualität betroffener Familien erheblich, auch die Zukunftschancen für Kinder sinken deutlich, wenn sie ihre Potenziale – seien sie künstlerisch, sportlich oder sozial – aufgrund des knappen Budgets nicht entfalten können.

Die Gründe, warum Alleinerziehende mit 42 Prozent ein exorbitant hohes Armutsrisiko haben, sind vielfältig und reichen von der vielfältigen Belastung, über strukturelle Benachteiligungen als Mütter und Frauen am Arbeitsmarkt bis hin zu fehlenden passgenauen Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Neben der Schwierigkeit, überhaupt ein eigenes Einkommen zu erzielen, stellt die Existenzsicherung des Kindes ein weiteres Problem in Einelternfamilien dar.

Wie ebenfalls aus der Bertelsmann-Studie hervorgeht, erhält die Hälfte der Alleinerziehenden für ihre Kinder keinen Unterhalt, weitere 25 Prozent bekommen nur unregelmäßig Geld vom anderen Elternteil oder weniger als ihnen zusteht. Insgesamt werden 75 Prozent der Unterhaltsansprüche nicht gedeckt.

Unterhaltsansprüche müssen besser durchgesetz werden

Als staatliche Ersatzleistung können Alleinerziehende zwar bei ausbleibenden Unterhaltszahlungen den so genannten Unterhaltsvorschuss beantragen, jedoch ist dieser zu stark reglementiert. Zum einen fällt er wegen der vollen Anrechnung des Kindergeldes um 95 Euro hinter den Mindestunterhalt zurück und ist somit nicht existenzsichernd ausgestaltet. Zum anderen wird er nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes und auch längstens für 72 Monate gezahlt. Diese Deckelung führt dazu, dass viele Alleinerziehende und ihre Kinder auf Sozialleistungen verwiesen werden.

 Eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses ist überfällig. Auch müssen Unterhaltsansprüche besser durchgesetzt werden.  Ein Kind hat Anspruch auf Unterhalt durch beide Eltern. Ein Elternteil leistet seinen Beitrag durch Pflege und Erziehung, der andere durch eine Barzahlung – so ist es im Unterhaltsrecht verankert. Zurzeit erleben wir, dass sich die komplette Unterhaltspflicht zu Lasten des betreuenden Elternteils,– zu 90 Prozent der Mutter – verschiebt.

Väter wollen und sollen ihrer Verantwortung stärker gerecht werden

Medial debattiert wird aber vor allem die Ungerechtigkeit, die Väter empfinden, wenn sie sich etwa zum „Zahlvater degradiert“ sehen oder wegen erhöhter Betreuungsanteile eine Anpassung der Unterhaltsbeträge einfordern. Ob das Modell „einer betreut, der andere zahlt“  noch zeitgemäß ist, kann durchaus hinterfragt werden. Väter wollen und sollen ihrer Erziehungsverantwortung stärker gerecht werden.

Ein reines Abrechnen des Betreuungsanteils vom Barunterhalt greift dennoch zu kurz und schafft neue Ungerechtigkeiten. Aufgrund des noch immer erschwerten Zugangs zum Arbeitsmarkt, mangelnder Jobangebote und Karrierechancen wird eine Mutter auch dann nicht in der Lage sein, die Familienkasse entsprechend aufzufüllen, wenn der Sprössling, ein paar Tage mehr im Monat beim anderen Elternteil verbringt. Insbesondere eine traditionelle Arbeitsteilung vor der Trennung wirkt hier negativ und schafft hohe Hürden für den Arbeitsmarkt.

Neue Modelle werden im Gesetz nicht abgebildet

Hinzu kommt, dass bei wachsendem Betreuungsanteil zwar die Kosten für den barunterhaltspflichtigen Elternteil steigen, aber nicht im selben Umfang im Haushalt des anderen Elternteils sinken. Miete, Strom und andere Fixkosten reduzieren sich nicht und müssen trotz Abwesenheit des Kindes gezahlt werden.  Bisher bildet sich die inzwischen in vielen Familien gelebte Realität neuer Betreuungsmodelle mit den damit verbundenen Mehrkosten jedoch weder im  Unterhalts- noch im Sozialrecht ausreichend ab. Dies erhöht die Spannungen zwischen den Eltern und geht am Ende zu Lasten der Kinder.

Es braucht Mut zu einem großen Reformschritt. Effektiver als an vielen Stellschrauben zu drehen, wäre eine Bündelung aller kindbezogenen Transfers. Eine solche Kindergrundsicherung lichtet nicht nur den Bürokratie-Dschungel, sondern nimmt Eltern den Druck. Zudem schafft sie mehr Gerechtigkeit, weil sie Kinder aus dem stigmatisierenden Sozialgeldbezug holt und alle unabhängig von der Familienform ihrer Eltern fördert.

Autor*in
Solveig Schuster, Bundesvorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e.V.
Solveig Schuster

ist Bundesvorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e.V.

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