Debatte

Wie der inklusive Prozess in Schulen gestaltet werden kann

Im neu gegründeten Beratungshaus in Münster werden nicht nur Mütter und Väter eines behinderten Kindes beraten, sondern auch Erzieher oder Lehrkräfte, die Unterstützung bei sonderpädagogischer Förderung oder Inklusion suchen. Ein Interview mit der Referatsleiterin für Schulen, Annette Traud.
von Maicke Mackerodt · 20. Oktober 2015
Wie kann der inklusive Prozess in Schulen qualitätsvoll gestaltet werden?
Wie kann der inklusive Prozess in Schulen qualitätsvoll gestaltet werden?

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und die Bezirksregierung Münster haben bei einer Aufgabe einen wichtigen Berührungspunkt: Inklusion in der Schule. Die Aufsichtsbehörde und der LWL, Träger von Förderschulen mit den spezifischen Förderschwerpunkten körperlich-motorische Entwicklung, Sehen, Hören und Kommunikation sowie Sprache Sek. I, kooperieren miteinander: im neu gegründeten LWL-Beratungshaus. Es liegt inmitten von Wiesen und Spielplätzen integriert in ein LWL-Förderschulzentrum in Münster. Ein zwölfköpfiges Team aus Förderschullehrerinnen und -lehrern sowie Therapie- und Pflegekräften berät von hier aus Schulen, Lehrkräfte, Eltern und Betroffene zum Thema Inklusion. Ein Gespräch mit der Referatsleiterin für LWL-Schulen, Annette Traud.

Was ist das Besondere am LWL-Beratungshaus für schulische Inklusion?

Das LWL-Beratungshaus wurde zum einen ins Leben gerufen, damit der inklusive Prozess in Schulen qualitätsvoll gestaltet wird und z. B. Eltern behinderter Kinder sich aufgrund ihres Wahlrechts – Regel- oder Förderschule – bewusst entscheiden können. Wir erleben nämlich, dass es da noch viel Beratungsbedarf gibt. Eltern entscheiden sich z. B. für die Förderschule, weil dort das ganze Equipment vor Ort ist, wie Therapie und Pflege. Dabei ist es mit Unterstützung machbar, dass ihre Kinder vor Ort in eine Regelschule gehen und lange Transportwege vermieden werden. Wir fördern damit also auch Inklusion vor Ort um im nahen sozialen Umfeld Freundschaften schließen zu können.

Viele Fragen gibt es auch seitens der Lehrkräfte allgemeiner Schulen: Wie muss der Schülerarbeitsplatz ausgestattet sein, welche baulichen Veränderungen sind nötig. Gibt es bestimmte Hilfsmittelversorgung? Wie funktioniert die Unterstützung in den Pausen oder beim Toilettengang? Wie findet das Notfallmanagement statt, wenn ein Kind einen epileptischen Anfall hat. Nicht immer ist die professionelle Begleitung dabei. Manchmal reicht bei solchen Fragen eine telefonische Beratung. Es kommt aber auch vor, dass das hochspezialisierte LWL-Beratungsteam in die Regelschule geht und dort in der Schule die vielen Fragen beantwortet. Diese Beratung  bezeichne ich als Hilfe zur qualitätsvollen Inklusion.

Alle Fragen werden unter einer Adresse beantwortet?

Ja, mit Hilfe des LWL-Beratungshauses ist es möglich, eine unabhängige, alle Bereiche erfassende Beratung unter einer Telefonnummer anzubieten: Das gilt für Mütter und Väter eines behinderten Kindes, genauso wie für Erzieher oder Lehrkräfte, die Unterstützung bei sonderpädagogischer Förderung oder Inklusion suchen. Unser Anspruch: Für den gleichberechtigten Zugang gehandicapter junger Menschen zum Bildungssystem Beratungskompetenzen unter einem Dach zu bündeln.

Das Beratungsteam trifft sich einmal wöchentlich zum fachlichen Austausch. Es kennt alle Akteure und Institutionen, gibt bei einem Ortstermin wertvolle, praktische Tipps. Die Fragen an das Team sind so individuell wie die Kinder, um die es geht. Außerdem ist keine Förderschullehrkraft für alle Förderschwerpunkte ausgebildet. Wir sind sicher, dass ein Gespräch mit Experten im LWL-Beratungshaus überaus wichtig sein kann. Auf gar keinen Fall wollen wir einen eindimensionalen Blick haben. Wir sind überzeugt von dem Konzept.

Wie ist die Finanzierung des LWL-Beratungshauses gesichert?

Wir haben das über eine Kooperationsvereinbarung mit allen Beteiligten geregelt. Die Bezirksregierung stellt Lehrkräfte anteilig stundenweise und damit die sonderpädagogische Expertise zur Verfügung. Wir stellen als Schulträger LWL die Räume und Unterhaltungskosten. Hinzu kommt  das Personal wie anteilig Therapeuten und Pflegekräfte und die Sekretärin, die die erste Anlaufstelle ist. Ein örtlicher Schulträger unterstützt uns außerdem mit Öffentlichkeitsarbeit. Die Erfahrung in Münster zeigt: Das LWL-Beratungshaus ist inzwischen etabliert. Alle Beteiligten sagen: Das Konzept ist gut und erhält Zuspruch. Ob es in der Inklusion irgendwann so weit ist, dass das Beratungshaus obsolet wird, ist zurzeit nicht absehbar. Es kostet den LWL jährlich 35 – 40 000 Euro. Wir freuen uns, dass durch Zustimmung der Politik die Einrichtung auch finanziell abgesichert ist. Inzwischen entsteht auch im Kreis Paderborn und Olpe unter den fast gleichen Rahmenbedingungen ein Beratungshaus, die entsprechenden Kooperationsvereinbarungen sind inzwischen unterzeichnet. Schulische Inklusion qualitätsvoll zu gestalten ist eben ein bedeutsames Ziel für  behinderte Kinder.

Autor*in
Maicke Mackerodt

ist Journalistin, Audio-Biographin und Coach. Sie lebt in Köln.

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