Wie das „Smart Home“ seine Bewohner ausspäht
Foto:Dirk Bleicker / www.dirkble
Hewlett Packard (HP) will künftig 160 Petabyte (160.000 Terabyte) in 250 Nanosekunden (0,00000025 Sekunden) verarbeiten. In derselben Zeit legt das Licht 75 Meter zurück. So werden „smart homes“, intelligente Häuser, möglich. Bis 2020 könnten es nach Ansicht des Statistik-Portals „Statista“ 2,4 Millionen in Deutschland sein. Eine ganze Menge – kannten bis zum vergangenen Jahr den Statistikern zufolge 34 Prozent der Bevölkerung den Begriff nicht.
Wikipedia versteht darunter sowohl „die Vernetzung von Haustechnik und Haushaltsgeräten …, als auch die Vernetzung von Komponenten der Unterhaltungselektronik“ – das Handy kann per „App“ den Wlan-Router, die Solaranlage, Stromspeicher, -verbraucher und -zähler kontrollieren und steuern.
Wenn der Kühlschrank das Lieblingsbier kennt
Je mehr Apps auf dem Handy installiert sind, desto besser „kennt“ unsere Technik unseren Lebensstandard: Hersteller, Gerätetyp, Modell, Baureihe und -jahr, Farbe. Der Lebenswandel ergibt sich detailtief aus der jeweiligen Anwendung. Wann und wie oft wird der Fernseher eingeschaltet? Wie lang läuft er? In welcher Werbepause marschieren wir zum Kühlschrank, um ein Bier zu holen. Für solche Daten zahlt die Werbeindustrie gern. Der Kühlschrank „erinnert“ uns ans Auffüllen der Vorräte auf Basis des bisherigen Verbrauchs. Und das Fitnessarmband protokolliert unseren Blutalkoholspiegel.
Ein tragbares System erfasst mit Hilfe von Sensoren an Stirn und Armen auch Natrium, Kalium, Glucose, Laktat und Hauttemperatur. Am Laktat-Wert lässt sich die Müdigkeit der Muskeln erkennen. Bei der Auswertung kann die bisher zurückgelegte „Papierspur“ berücksichtigt werden – Erbanlagen, Eltern, Kindergarten, Schule, Uni, Arbeitgeber, soziale Stellung, Wohneigentum oder Miete. Hinzu kommt die Analyse unseres Tippverhaltens an Computer und Smart Phone, der Facebook-Freunde und der Tweets, Fotos, Sprache und etwaige Videos. Das ganze funktioniert in „Echtzeit“: In dem Augenblick, in dem wir den Fernseher einschalten, aktualisiert sich das Profil.
Das Telefon verrät den Gesundheitszustand
Scott R. Peppet, Jura-Professor der Universität von Colorado, behauptet, Wissenschaftler könnten allein aus den Sensor-Daten eines Handys eine Menge Rückschlüsse ziehen – etwa auf unsere Stimmung, Stressniveau, Persönlichkeitstyp, manisch-depressive Erkrankungen, demographische Daten (Geschlecht, Ehestand, Beschäftigungsverhältnis, Alter), Rauchgewohnheiten, allgemeines Wohlbefinden, den Grad einer Parkinson-Erkrankung, Schlafgewohnheiten, Zufriedenheit, Häufigkeit körperlicher Bewegung und Arten physischer Aktivität und Bewegung.
Künftig sei mit „verstehenden Telefonen“ zu rechnen, die Sensordaten mit geographischen oder zeitlichen Informationen verknüpfen könnten – Hinweise auf Stress könnten so verknüpft werden mit Geschäftsterminen. Dann, so Peppet, könnte das Telefon wohl auch Tipps geben, mit wem man sich aus gesundheitlichen Gründen besser nicht mehr treffen sollte.
Spülmaschinen im Visier der CIA
Die Sensordaten aus dem Internet der Dinge sind für Peppet so „feinkörnig“ und „qualitativ hochwertig“, „dass sie oftmals tiefgreifende und unerwartete Erkenntnisse“ über die „Absichten“ der Menschen ermöglichen. Eigentlich ein alter Hut – der frühere „Google“-Chef Eric Schmidt hat schon vor zehn Jahren angekündigt, dass die Nutzer Empfehlungen für ihre künftigen Tätigkeiten erhalten würden.
Die Möglichkeiten sind auch anderen bewusst – zu den Aufklärungszielen des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) gehören auch vernetzte Spülmaschinen und Wohnzimmerlampen. Im März 2013 soll Ira Hunt, früher technischer Direktor der CIA, erklärt haben: „Mehr ist immer besser. Da man Punkte nicht verknüpfen kann, die man nicht hat, versuchen wir, grundsätzlich alles zu sammeln, was wir sammeln können und behalten es für immer. … Es liegt in sehr greifbarer Nähe, dass wir in der Lage sind, jede von Menschen verursachte Information zu verarbeiten.“
Lesen Sie auch Teil 1 der Serie „Schöne neue Daten-Welt“ zum Thema „Gesundheit“ und Teil 2 zum Thema „Verkehr“.
ist Journalist mit dem Schwerpunkt Internetsicherheit. Er hat das Buch „Vernetzte Gesellschaft. Vernetzte Bedrohungen – Wie uns die künstliche Intelligenz herausfordert“ verfasst.