Debatte

Wem gehören die Daten meiner Freunde?

Wer Smartphone-Messanger nutzt, gibt dabei nicht nur viele eigene Daten preis, sondern auch die seiner Freunde
. Wir brauchen deshalb dringend den gesellschaftlichen und politischen Diskurs, wie wir mit den Daten von Dritten umgehen, fordert Netzpolitiker Henning Tillmann.
von Henning Tillmann · 26. Juni 2015
Messanger
Messanger

Der Sommerurlaub naht. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem fernen Land und möchten Kontakt zu Ihrer Familie daheim aufnehmen. Ein wildfremder Mensch bietet Ihnen an, kostenlos mit Ihren Liebsten telefonieren zu können. Einzige Bedingung: Ihr Gespräch wird gespeichert und Sie müssen ihm Ihr komplettes Adressbuch überreichen, damit er davon eine Kopie anfertigen kann. Vermutlich würden Sie sein Angebot empört ablehnen.

Viele, vor allem (vermeintlich) kostenlose oder -günstige, Smartphone-Messenger verlangen zur Nutzung des Dienstes den Zugriff auf Ihr Adressbuch. Dort sind die Telefonnummern Ihrer Kontakte gespeichert, E-Mail-Adressen, Postanschriften und vielleicht auch persönliche Notizen, die dann an irgendeinen Server übertragen werden. Chat-Protokolle werden über Jahre gespeichert. Was mit diesen Daten passiert, weiß niemand so genau. Diese Dienste machen genau das, was Sie, wie oben beschrieben, im Sommerurlaub ablehnen würden.

Verklagen Sie doch ihren Freund!

In vielen Debatten um den Datenschutz geht es vor allem um die eigenen Daten. Man solle darauf achten, was man wo von sich preisgibt oder welches Bild man von sich hochlädt. Die informationelle Selbstbestimmung, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes abgeleitet wird, gilt aber eben nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Mitmenschen. Rechtlich korrekt wäre es daher, vor der Benutzung gewisser Messenger eine Erlaubnis aller Freunde und Bekannten einzuholen, deren Kontaktdaten man in seinem Smartphone gespeichert hat. Und nur falls alle zustimmen, dass die eigenen Daten an den entsprechenden Dienst weitergeleitet werden dürfen, kann die entsprechende App gestartet und der Zugriff auf das Adressbuch erlaubt werden. Eine Vorauswahl ist nicht möglich – entweder werden alle Daten übertragen oder man verzichtet auf die App.

Hier klaffen Realität und die Rücksicht auf den Datenschutz jedoch weit auseinander. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) soll „den Einzelnen davor ... schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird“. Personenbezogene Daten dürfen in der Regel nur dann gespeichert werden, wenn der Nutzer explizit eingewilligt hat (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Aber niemand fragt alle Personen aus dem Adressbuch, ob sie oder er damit einverstanden ist, dass die Kontaktdaten an den Dienstbetreiber X oder Y weitergeleitet werden. Übrigens: Falls Sie es sich mit einem ihrer Freunde, der ungefragt einen solchen Dienst nutzt, der Adressbücher ausliest, verscherzen möchten, dann verklagen sie ihn doch. Vor Gericht werden sie vermutlich gewinnen – die Freundschaft aber wohl eher verlieren.

Wieviel digitale Verantwortung trägt der Einzelne für seine Mitmenschen?

Wir benötigen daher dringend den gesellschaftlichen und politischen Diskurs, wie wir mit den Daten, die zu einer dritten Person gehören, umgehen und wieviel Verantwortung jeder Einzelne nicht nur für sich, sondern auch für seine Mitmenschen trägt. Oder gibt es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, dass solche personenbezogenen Daten weitergegeben werden dürfen? Es stellen sich ferner die Fragen, ob Daten überhaupt jemanden gehören und ob unser Datenschutzrecht fit für die digitale und vernetzte Gesellschaft ist. Die Sozialdemokratie könnte Vorreiter sein, indem sie den Datenschutz um eine solidarische Komponente erweitert. Die SPD sollte eine Debatte anstoßen, wie die Gepflogenheiten der vernetzten Gesellschaft und die Anforderungen an den Datenschutz austariert werden können. Die staatlich verordnete Sammlung und Speicherung von Daten aller, die Vorratsdatenspeicherung, wäre allerdings kein Schritt in die richtige Richtung.

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Henning Tillmann
Henning Tillmann

ist selbständiger Softwareentwickler und lebt in Berlin. Er ist u. a. Vorstandsmitglied des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.

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