Weg von der Wegwerfgesellschaft
„Wir müssen Verbraucher dazu bringen, nachhaltiger zu konsumieren!“ Diese Forderung fällt häufig in Diskussionen, wenn es um Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategien geht. Ach, wenn es doch so einfach wäre, die Menschen allein mit ein bisschen guter Verbraucherinformation und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen zu nachhaltigem Konsum zu motivieren! Doch noch liegen zu viele Hürden und Hemmnisse im Weg, die es beiseite zu räumen gilt.
Welche Erfahrungen lassen sich dabei aus der Klimaschutzdebatte ziehen? Und wird uns die anstehende Diskussion um die globalen und nationalen Nachhaltigkeitsziele („Sustainable Development Goals“ (SDG)) der Vereinten Nationen weiterbringen, welche im September im Rahmen der Post-2015-Agenda verabschieden werden sollen?
Nachhaltiger Konsum braucht faire politische Rahmenbedingungen
Klar ist: Die vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) beschriebene „Große Transformation“ hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft stellt eine immense Herausforderung für politisches und wirtschaftliches Handeln dar. Will man die Bürger bei den notwendigen Entscheidungen mitnehmen, ist ehrliche und transparente Kommunikation unerlässlich.
Die aktuelle Debatte um die Energiewende macht deutlich, wie sensibel die Bürger sind, wenn es um eine faire Lastenverteilung geht. Die Bereitschaft, höhere Kosten für die Energieversorgung mitzutragen, sinkt rapide, wenn sich die privaten Energieverbraucher von Politik und Energiekonzernen über den Tisch gezogen fühlen.
Ehrliche Unternehmenskommunikation erforderlich
Verbraucherhandeln ist heutzutage nicht eben einfach. Zu komplex sind die Märkte, die Produkte und Dienstleistungen und nicht zuletzt die Geschäftsbedingungen und Preisgestaltung. Zahlreiche Label und (vermeintliche) Gütesiegel wiegen uns in Sicherheit, wenn uns die Zeit fehlt, vor dem Kauf das Kleingedruckte zu lesen. Wer klimaverträglich konsumieren will, steht in manchen Bereichen vor großen Herausforderungen. Warum ist zum Beispiel die Energiekennzeichnung „A“ für Autoreifen die höchste Auszeichnung (beim Kraftstoffverbrauch) und bei Kühlschränken nur drittklassig, da auch schon mit „A+++“ gekennzeichnete Produkte auf dem Markt sind? Und kann man den Werbeversprechen der Automobilhersteller glauben, die ihre Fahrzeuge als besonders Sprit sparend darstellen?
Unternehmen, die auf ehrliche Nachhaltigkeit setzen, müssten ein großes Interesse daran haben, die Verbraucherwelt einfacher zu gestalten: indem sie beispielsweise den Energiesparmodus bei Elektronikprodukten voreinstellen und eindeutige Angaben zum Energieverbrauch, zur energiesparenden wie ressourcenschonenden Nutzung und der sachgerechten Entsorgung der Produkte machen. Stattdessen führen häufig missverständliche Kundeninformationen zu unnötig erhöhtem Energieverbrauch und Ressourcenverschwendung.
Mehr Wertschätzung, weniger Verschwendung – mehr Klimaschutz!
Klimafreundlicher Konsum ist mehr als nur Strom sparen. Relevant beim individuellen Verbraucherverhalten sind genauso die Entscheidungen für energieeffiziente Haushalts- und Kommunikationsgeräte, für Öko-Strom, für effizientere Heizungen und sinnvolle Dämmmaßnahmen für Häuser und Wohnungen.
Selbst die kleinsten Alltagsentscheidungen können klimafreundlich getroffen werden: Wer Ressourcen und Klima schonen möchte, nutzt häufiger Bahn, Bus und Fahrrad und kauft nicht zuletzt saisonale und regionale Lebensmittel, am besten mit Biosiegel. Dass unser hoher Fleischkonsum ein Problem für die Klimabilanz ist, dürfte für die meisten kein Geheimnis mehr sein. Welche Rolle neue Konsum- und Nutzungsformen spielen können, die nicht auf Eigentum, sondern auf Nutzung abzielen, wird derzeitig in der Wirtschaft unter dem Begriff „Share Economy“ diskutiert.
Die Berichte über Berge weggeworfener Lebensmittel haben in den vergangenen Monaten dazu geführt, dass die politische und öffentliche Debatte um Lebensmittelverschwendung stark zugenommen hat. Neben der Suche nach den Verursachern – Politik, Produzenten, Handel oder Konsumenten? – muss der Blick auf die Frage gerichtet werden, welche Wertschätzung wir unseren Lebensmitteln noch entgegenbringen.
Klimafreundlicher Konsum als Nachhaltigkeitsziel
Diese Frage lässt sich auch übertragen auf die Alltagsprodukte, die uns umgeben. Wir leben in einer Ex-und-hopp-Gesellschaft, und die Wirtschaft lebt bislang gut davon. Ist dieser Standard in Zeiten des Klimawandels und begrenzter Ressourcen noch zukunftsfähig? Brauchen wir nicht mehr Wertschätzung für Lebensmittel, Konsumgüter, Trinkwasser? Leistet doch weniger Verschwendung einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz.
Die Förderung von nachhaltigem Konsumieren und Produzieren steht auch auf der Liste der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG) der Vereinten Nationen. Diese insgesamt 17 Ziele sollen nun auf nationale Ebene heruntergebrochen und im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategien in Bund und Ländern diskutiert werden. Ob sie ernst genommen werden, wird auch davon abhängen, wie Bundesregierung und Länderregierungen sich zu dem Prozess und zu nachhaltigerem Wirtschaften bekennen und davon, wie Wirtschaft und Unternehmen sich engagieren – mit konkreten Vereinbarungen und Maßnahmen, nicht nur mit Worten.
ist Leiterin des Bereichs Ernährung und Umwelt der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.