Was die IS-Terroristen so stark macht
Nach der Eroberung von Mossul im Juli haben die IS-Kämpfer die Tresore der Zentralbank in dieser zweitgrößten Stadt des Irak geknackt. Die Beute macht sie zur reichsten Terrorgruppe überhaupt. Die am besten Bewaffnete war sie ohnehin, hatte die irakische Armee doch ihr gesamtes, aus den USA stammendes Kriegsgerät zurückgelassen.
Millionen für den IS aus den Golfstaaten
Doch schon vor dem Sturm auf den irakischen Norden konnten sich die Dschihadisten des IS auf einen kontinuierlichen Geldfluss verlassen. Religiöse Stiftungen der Golfstaaten überwiesen vermutlich Millionenbeträge. „Der Islamische Staat selber hat nichtstaatliche Finanzierung aus den Golfstaaten und anderswoher bekommen“, schreibt zum Beispiel die Analystin der Carnegie-Stiftung, Lina Khatib. Die Regierung Katars dagegen habe die Al-Qaida-Miliz Nusra-Front finanziert. Mit anderen Worten: Extremdschihadisten in Syrien konnten mit Dollars aus dem kleinen Emirat und anderen Golfstaaten rechnen, auch wenn Katars regierender Emir Tamim bin Hamad Al Thani bei seinem Berlin-Besuch anderes behauptet hatte.
Aber die Terror-Organisation IS verlässt sich nicht auf den Geldfluss vom Golf. Geiselnahme, Erpressung und Schutzgelder füllen die Schatzkammern des Kalifats genauso wie der Verkauf von Rohöl oder und Baumwolle. Die Provinz Raqqa, die vollständig vom IS beherrscht wird, gehört zu den wichtigsten Anbaugebieten für Baumwolle in Syrien. An den Grenzübergängen stauen sich jetzt in der Erntezeit die Lastwagen, die diese Baumwolle, die zur begehrtesten auf dem internationalen Markt zählt, an türkische Händler liefern. Diese sicheren Einnahme-Quellen ermöglichen es dem IS, seinen geschätzt 30.000 Kriegern einen Sold zu zahlen, der um ein Vielfaches über dem liegt, was andere Milizen in Syrien sich leisten können. Kein Wunder, dass Kämpfer häufig und gerne die Seite wechseln. Inzwischen kämpfen Dschihadisten aus rund 80 Ländern in den Reihen des IS.
Unterdrückung der Sunniten schafft Rekruten für IS
Doch nicht nur das zusammengeraubte und erpresste IS-Vermögen ist ausschlaggebend für den Erfolg. Viele Sunniten, im Irak wie in Syrien, sehen in Diktator Assad und der schiitischen Regierung in Bagdad das größere Übel. So hatte Badgad noch im vergangenen Jahr friedlich protestierende Sunniten zusammenschießen lassen. Auch in diesem Jahr wirft Human Rights Watch der irakischen Armee und den schiitischen Milizen des Landes massive Menschenrechtsverletzungen gegenüber der sunnitischen Bevölkerung vor. Kein Wunder, dass sich angesichts dieser Politik Bagdads nicht wenige irakische Sunniten lieber dem selbsternannten Kalifen Baghdadi anschließen.
In der Anbar-Provinz im Westen des Irak sind daher Anfang des Jahres einige sunnitische Stämme und Untergrundkämpfer eine Kampf-Allianz mit dem IS eingegangen, die ihn unschlagbar zu machen scheint, zumindest für die irakische Armee. Die versucht ihre militärische Hilflosigkeit durch Brutalität an der Bevölkerung wettzumachen und liefert damit neue Nahrung für die Radikalisierung der Bevölkerung. Die bislang anti-sunnitische Politik der fast ausschließlich schiitischen Regierung in Bagdad hilft dem IS, Nachwuchs unter den Sunniten zu rekrutieren. Dass der neue Verteidigungsminister des Irak ein Sunnit ist, lässt hoffen, dass der neue Ministerpräsident Abadis versuchen wird, die sunnitische Konfession in die Regierung einzubinden. Nur so lässt sich diese Allianz des Terrors aufbrechen.
Schließlich gibt es noch die sehr effizient arbeitende Medienabteilung des Kalifen. Die setzt eine Waffe so gezielt ein wie noch keine Terrorgruppe vor ihr, nämlich das Internet. Auf Youtube und in einem eigenen Online-Magazin verbreiten die Kalifenkämpfer ihre neuesten Gräueltaten und Eroberungen in Bildern, Videos und englischen Texten, die auch von Nicht-Arabern verstanden werden können. Allein das Video, das die Enthauptung des US-amerikanischen Journalisten James Foley zeigt, ist 1,3 Millionen Mal angeklickt worden. Der sogenannte Islamische Staat ist also weltweit zugänglich und löst so bei all jenen Angst und Schrecken aus, denen sie Vernichtung androhen. „Als wir hörten, dass IS anrückt, sind wir Hals über Kopf geflohen. Wir wussten aus dem Internet, was uns erwartet“, berichten zum Beispiel Christen im kurdischen Erbil. Umgekehrt kann sich jeder Gesinnungsbruder im Internet scharf machen und am Ende nach Syrien reisen.
Saudis liefern Vorbild für Steinzeit-Islam
Ein weiteres Problem stellt Saudi-Arabien dar. Die absolute Monarchie hat sich zwar der US-geführten Bomber-Allianz gegen den IS angeschlossen, tatsächlich aber finden sich verblüffend viele Spuren der IS-Ideologie im orthodoxen Islamverständnis der Saudis. Ihr Wahhabismus, der in vielen Ländern der islamischen Welt durch Missionare verbreitet wird, ist gewissermaßen der Nährboden und das Vorbild für den Steinzeit-Islam des IS. Das wahhabitische Islamverständnis beginnt beim Zwang zur Totalverschleierung der Frauen, geht über das Verbot und die Verfolgung anderer Religionen bis hin zur Todesstrafe durch Köpfen, und alles wird überwacht durch eine mächtige Religionspolizei, die etwa Geschäftsleute bestraft, die zu den Gebetszeiten ihre Läden nicht rechtzeitig schließen. Genauso agieren die Tugendwächter des IS.
Es gibt noch eine Parallele: Die sunnitisch-wahhabitischen Saudis unterdrücken die Schiiten in ihrem Land. Kürzlich wurde einer ihrer geistlichen Führer zum Tode verurteilt, weil er vor zwei Jahren Proteste gegen die Unterdrückung unterstützt hatte. Ob er in der saudischen Hauptstadt Riad mit dem Schwert hingerichtet werden soll, ist nicht bekannt. In der IS-Hauptstadt Raqqa würde er vermutlich mit einem langen Messer getötet. Saudi-Arabien gehört jedenfalls zu den Ländern weltweit, in denen die Todesstrafe am häufigsten vollstreckt wird, meistens mit dem Schwert. Von Saudi-Arabiens besten Freunden, den Regierungschefs und Außenministern westlicher Demokratien, hat es bislang noch keine Proteste gegeben gegen diesen religiös verbrämten Despotismus.