Debatte

Warum wir uns ein Grundeinkommen nicht leisten können

Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens haben das Herz am rechten Fleck. Auf existenzsicherndem Niveau ist die vorgesehene Umverteilung aber kaum finanzierbar. Und gerecht ist sie auch nicht.
von Florian Habermacher · 18. April 2016
Aktion der Grundeinkommens-Initiative in der Schweiz
Aktion der Grundeinkommens-Initiative in der Schweiz

Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) wollen Initianten die Schweizer von bezahlter Arbeit befreien. Angesichts der materiellen Zwänge, denen wir ausgesetzt sind, verwundert der Ruf nach einer Befreiung nicht – und das Wirtschaftswachstum schiene die Möglichkeit nahezulegen. Initiator Daniel Straub: „Wir haben es zu einer unglaublichen Produktivität gebracht, sind aber nicht in der Lage, diesen Erfolg in ein gutes Leben umzuwandeln.“ Gemäß Initianten übten viele „befreite“ Personen selbständig sinnvolle Tätigkeiten aus. Dennoch scheint das Konzept BGE kaum finanzierbar oder gerecht.

Die Finanzierungsprobleme des Grundeinkommens

Der Vorschlag der Initianten führt zu erheblichen finanziellen Problemen. Erwachsene z. B. sollen monatlich 2500 Schweizer Franken (etwa 2300 Euro, kaufkraftbereinigt 1600 Euro) bekommen. Nicht ein Dahinfristen, sondern ein ordentliches Leben soll das BGE ermöglichen. Über die Gesamtbevölkerung aufgerechnet kostet das Konzept 200 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr. Das BGE ersetzt einen Großteil der Sozialausgaben. Straßen, Staatsverwaltung etc. müssen aber weiterhin bezahlt werden (140 Milliarden Schweizer Franken). Insgesamt ergibt sich ein Staatsaufwand von 340 Milliarden Schweizer Franken, gegenüber 505 Milliarden Schweizer Franken Nettonationaleinkommen als maximal verfügbarem Steuersubstrat.

Dies bedingt einen Steuersatz von durchschnittlich fast 70 Prozent, erhoben z. B. auf Einkommen. Die Probleme mit solch hohen Steuersätzen können kaum überschätzt werden: Groß und Klein werden versuchen der Steuer auszuweichen. Gut bezahlte Jobs und Arbeiter werden nicht mehr vom Ausland in die Schweiz, sondern gerade umgekehrt ins Ausland verlegt. Ein explizites Ziel erreichen die Initianten damit tatsächlich: Da der Staat ein annehmliches Einkommen verteilt, aber vom eigenen Verdienst mehr als zwei Drittel wegnimmt, steigen viele auf unbezahlte Tätigkeiten um. Dies verringert das besteuerbare Einkommen, und erhöht damit die notwendigen Steuersätze weiter. Ein Teufelskreis: Abermals höhere Steuersätze, noch mehr Umgehung usw. Leicht droht der Systemzusammenbuch. Leider unabhängig davon, ob Personen auf Freiwilligenarbeit oder auf Eigenarbeit umsatteln.

Unsere Gewohnheiten und der relative Wohlstand widersprechen dem BGE

Das ist ernüchternd. Weshalb können wir uns trotz hoher Arbeitsproduktivität kein vernünftiges BGE leisten? Weil das „Vernünftige“ parallel zum allgemeinen Wohlstand wächst. Ungeachtet der Produktivitätsfortschritte braucht eine Person heute mehr als die Hälfte des Durchschnittsnettoeinkommens, um über die Runden zu kommen. Drei Gründe machen ein für uns annehmliches Leben teuer:

  • Erstens wachsen unsere Ansprüche schlicht mit den Gewohnheiten.
  • Zweitens hängt soziales Wohlbefinden stärker vom Verhältnis des Konsums zu dem der Mitbürger, als von seinem absoluten Niveau ab. Materielle Bedürfnisse werden dank höherer Durchschnittslöhne zwar einfacher befriedigt. Da wir nun, um interessant zu bleiben, nach Mallorca und auf das neuste iPhone mitumsteigen müssen, bleibt es aufwendig, unseren Lebensstil zu finanzieren.
  • Drittens konsumieren wir auch Dienstleistungen, deren Kosten parallel zu den allgemeinen Löhnen ansteigen – Zahnarzt, Cafébesuch und ähnliches.

Damit dürfte eine BGE-Finanzierung eines „vernünftigen“ Lebensstils auf absehbare Zeit einen sehr erheblichen Teil des Bruttoinlandsprodukts beanspruchen. Entsprechend stark bleiben die zur Finanzierung notwendigen staatlichen Eingriffe – und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nebenwirkungen.

Das BGE gibt keine Antwort auf Gerechtigkeitsfragen

Wäre ein BGE gerecht? Ein gewisses Maß an Umverteilung von Reich zu Arm ist kaum umstritten: Einem Armen nützt ein zusätzlicher Franken mehr als einem Reichen. Zudem hängen Einkommen mitunter von Zufallsfaktoren ab, was etwas ausgleichende Gerechtigkeit durch Umverteilung nahelegt. Darüber hinaus kann Umverteilung die soziale Kohäsion fördern.

Diese Rechtfertigungen fallen beim BGE weitgehend weg. Wer freiwillig auf Arbeit verzichtet, ist materiell kaum sehr benachteiligt, und die Unterstützung von nicht wirklich Bedürftigen kann den Solidaritätsgedanken leicht überstrapazieren.

Viele westliche Staaten sind arm an natürlichen Ressourcen. Damit begründen auch Ressourcenrenten kein BGE. Und obwohl eine gewisse Inländerbevorzugung unserem heutigen Staatsverständnis entspricht, wirft die großzügige Unterstützung der bequemen im Inland durch ein BGE angesichts unverschuldeter Armut von Millionen in Entwicklungsländern Fragen auf. Sogar der Philosoph Rawls, den man eigentlich als Umverteilungsfetischisten bezeichnen könnte, da er den Wohlstand einer Gesellschaft einzig an den allerärmsten misst, hat sich gegen ein BGE ausgesprochen.

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Autor*in
Florian Habermacher
Florian Habermacher

ist Associate des Schweizerischen Institut für Außenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung, mit Fokus auf Steuer-, Umwelt- und Energiepolitik. Er hat seine Doktorarbeit in Wirtschaft und Finanzen an der Universität St. Gallen und der Universität Oxford geschrieben und sich während dieser Zeit u.a. mit Grundeinkommensfragen beschäftigt.

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