Warum wir in der Pflege eine Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive brauchen
Dieter Elsaesser mail@dieterelsaesser.com
Es ist gut, dass die Pflegedebatte endlich breit öffentlich geführt wird. Dass wir viel vorhaben in dieser Legislaturperiode, hat Karl Lauterbach in seinem Debatten-Beitrag aufgezeigt. Als SPD-Bundestagsfraktion werden wir wichtige Weichenstellungen setzen und notwendige Korrekturen anpacken. Dazu geben die Debattenbeiträge der Professoren Hartmut Remmers und Hermann Brandenburg wichtige Anstöße. Wie richtig sie liegen mit ihrer Analyse, dass die „marktwirtschaftliche Logik ...unvereinbar mit der eigensinnigen Logik humaner Dienstleistungen (ist)“ (Remmers) und „mit zunehmend erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Unternehmenspolitiken ... ideelle und fachliche Bezüge zunehmend in die Defensive geraten (sind)“ (Brandenburg), stellt der Chef des privaten Arbeitgeberverbandes mit seinem Debatten-Beitrag unter Beweis.
Pragmatismus ja - Fatalismus nein
Thomas Greiner fordert „weniger Ideologie und mehr Pragmatismus“ in der Pflegedebatte und argumentiert dabei selbst rein marktideologisch. Er will „mit Fakten gegen die Fakenews in der Altenpflege kämpfen“, hört damit aber schon nach seinem dritten Argumentationspunkt auf. Sein Pragmatismus beginnt, indem er die gerade erst nach langer Debatte beschlossene Pflegeberufereform ignoriert und auf Modelle anderer Länder verweist. Es ist nicht Pragmatismus, sondern Fatalismus, wenn er „mehr Hilfs- und Betreuungskräfte“ fordert und Fachkräfte ausschließlich auf Aufgaben der medizinischen Behandlungspflege reduzieren will.
Selbstverständlich braucht es einen Personalmix in der Altenpflege. Gute Pflege kann aber nur gelingen, wenn jede dieser Professionen gut qualifiziert, sich ihrer je eigenen Aufgaben und Kompetenzen bewusst ist und das Zusammenspiel zwischen Hauswirtschaft, Betreuungskräften, Pflegehilfskräften und Fachpflegekräften gelingt. Examinierte Pflegefachkräfte sind die eigentlichen Pflegeprozessgestalter. Sie haben aufgrund ihrer Ausbildung eine umfassende Methodenkompetenz, um auch komplexe Pflegeprozesse handhaben und steuern zu können. Sie haben die fachliche und soziale Kompetenz erworben, sich um jeden Einzelnen und sein individuelles Wohlbefinden zu kümmern.
Es geht auch um Empathie
Dafür brauchen sie aber Gestaltungsspielräume jenseits standardisierter Abläufe. Pflegerische Leistung kann keine Produktion nach Gebrauchsanweisung sein. Pflege heißt im Einzelfall sehr Unterschiedliches, wenn es darum geht, welche Hilfe und Tätigkeit für das Wohl des Menschen in seiner persönlichen Situation und Lebenslage ausschlaggebend ist. Dabei geht es auch um Einfühlsamkeit und Fingerspitzengefühl, um Empathie.
Erstmals wurden im Rahmen der Pflegeberufereform die Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachkräfte definiert. Es waren vor allem die Arbeitgeberverbände der privaten Anbieter, die einer qualitativ hochwertigen Fachkraftausbildung entgegengewirkt und für weniger wissenschaftlich fundierte Ausbildungsinhalte geworben haben. Wer aber einen Ausweg aus der Pflegemisere ernsthaft sucht, darf gerade nicht auf Dequalifizierung und billigen Pragmatismus umschwenken. Vielmehr brauchen wir eine Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive. Um mehr Menschen zu begeistern, diesen Beruf zu erlernen, dürfen die Anforderungen an die Ausbildung zur Fachkraft nicht gesenkt werden.
Qualifizierung durch Bildung
Richtig ist es allerdings, Barrieren zwischen den einzelnen Professionen in der Pflege zu abzubauen, um die Durchlässigkeit zwischen den Qualifikationsstufen zu optimieren. Dazu wäre es dringend notwendig, die in den Bundesländern sehr unterschiedlich organisierte Pflegehilfeausbildung nach bundesweit einheitlichen Standards weiterzuentwickeln. Denn wer sich als Pflegehelfer/in bewährt, muss überall die Möglichkeit erhalten, sich zur Fachkraft weiterbilden zu lassen.
Qualifizierung durch Bildung und Weiterqualifizierung war schon immer ein zentrales sozialdemokratisches Politikziel. Gerade mit einer modular verstandenen Durchlässigkeit zwischen den Qualifikationsstufen bis hin zum akademischen Abschluss bietet der Beruf allen Interessierten gute Perspektiven für die eigene Berufsbiografie. Und, vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfes auch sichere Anstellungsperspektiven.
Gute Bezahlung für alle Pflegekräfte
Aber ohne ordentliche Arbeitsbedingungen für alle in der Pflege Beschäftigte, wird die Attraktivität dieser Ausbildungsberufe nicht nachhaltig steigen. Darum ist es so notwendig, im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege unter Beteiligung aller entsprechenden Akteure verbindliche Maßnahmen zu vereinbaren, die für eine gute Bezahlung aller in der Pflege Tätigen sowie für verbesserte und verbindliche Personalschlüssel sorgen.