Warum Soloselbstständige eine Bürgerversicherung für die Rente brauchen
Thomas Koe hler/photothek.net
Soloselbstständigkeit, also die selbstständige Arbeit ohne Angestellte, ist keine Schande. Dennoch wird sie in vielen politischen Debatten nicht gewürdigt. „Warum arbeitest du nicht in einem Unternehmen?“, lautet eine Frage, die jede und jeder Solo-Selbständige vermutlich häufig zu hören bekommt. Die nicht abhängige Beschäftigung wird als anormale Arbeitsform außerhalb des Systems wahrgenommen.
SPD muss Partei der Arbeit sein
Dabei ist es in vielen Fällen eine bewusste Entscheidung, eigenständig Arbeitszeit und -ort festzulegen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seines Arbeitslebens mit den Kunden bzw. Auftraggebern auszuhandeln. Soloselbstständigkeit kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vereinfachen und Menschen das wohl kostbarste Gut neben Gesundheit geben, das mit Geld nicht zu kaufen ist: Zeitsouveränität.
In Zukunft könnte es weitaus mehr Solo-Selbständige geben: viele werden es freiwillig machen, andere vielleicht als Notnagel. Wichtig ist daher, dass wir die Menschen, die sich für diesen beruflichen Weg entscheiden, in die gesellschaftlichen und politischen Debatten einbinden – und auch in die sozialen Sicherungssysteme! Für die Sozialdemokratie muss gelten: Die SPD muss von der Partei der Arbeitnehmerschaft zur Partei der Arbeitenden werden.
Soloselbstständige: Vorsorge zu teuer
Für Soloselbstständige sind insbesondere die Aspekte Altersversicherung und Krankenversicherung entscheidend. Die meisten Selbstständigen zahlen nicht in die Deutsche Rentenversicherung ein, sind aber gleichzeitig mit der Wahl der richtigen Altersabsicherung überfordert. Im schlimmsten Fall findet keine Vorsorge für das Alter statt.
Die Wahl zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung ist zu Beginn der Selbstständigkeit elementar. Und letztere teuer: Da anders als bei Angestellten auch der Arbeitgeberanteil aus eigener Tasche bezahlt werden muss, sind die monatlichen Belastungen enorm. Die Krankenkassen gehen bei Selbstständigen von einem monatlichen Bruttoeinkommen von über 4.200 Euro aus, wodurch inkl. Pflegeversicherung über 700 Euro monatlich an Beiträgen entstehen. Auf Antrag kann die Bemessungsgrundlage auf knapp 2.200 Euro gesenkt werden – für viele dennoch deutlich zu hoch.
Bürgerversicherung für die Rente
Anders als bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben Soloselbstständige keine monatlich gleichbleibenden Einkommen. Insbesondere in den Gründungsjahren sind Einnahmen unregelmäßig. Aber auch später können z. B. größere Projekte dazu führen, dass eine umfassende Rechnung für Tätigkeiten erst nach Monaten gestellt werden kann; Renten- und Krankenbeiträge fallen aber monatlich an. Hier könnten dynamischere Lösungen helfen. Ferner muss es finanzielle Anreize geben, ins Solidarsystem einzuzahlen, um z. B. auch eine gesetzliche Krankenversicherung wettbewerbsfähiger für Selbstständigezu machen. Eine Möglichkeit wäre, dass der Staat den Arbeitgeberanteil in den ersten Gründungsjahren übernimmt, und dieser später nach und nach an die Versicherte bzw. den Versicherten übertragen wird.
Viele Anforderungen an die Krankenversicherung für (Solo-)Selbständige gelten auch für die Rentenversicherung: Mehr Flexibilisierung bei der Beitragszahlung, höhere Anreize und mehr Gerechtigkeit. Eine Pflicht zur Einzahlung in die Deutsche Rentenversicherung ist nur dann vermittelbar, wenn mittelfristig alle in diese Versicherung einzahlen, also u. a. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbständige sowie Beamtinnen und Beamte. Das Konzept der Bürgerversicherung für Krankenkassen gilt es somit auch für Rentenfragen zu übernehmen. Nur wenn wir alle Formen der Arbeitswelt einbinden, kann das Solidarsystem in der Zukunft funktionieren.
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Björn Bernat
ist selbständiger Softwareentwickler und lebt in Berlin. Er ist u. a. Vorstandsmitglied des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V.