Debatte

Warum Politik für Arbeitnehmer mehr Gerechtigkeit schafft

Menschliche Arbeit erzeugt den Wohlstand unseres Landes. Sozialdemokratische Politik sollte sich darauf konzentrieren, die Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern. Ein Gastbeitrag:
von Dierk Hirschel · 23. September 2016
SPD - Partei der Arbeitnehmer!?
SPD - Partei der Arbeitnehmer!?

Anfang dieses Jahrtausends wurde menschliche Arbeit entwertet und entgrenzt. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes und der Umbau der sozialen Sicherungssysteme förderten Armutslöhne und unsichere Beschäftigung. Die Erosion regulärer Arbeit unterhöhlte das Tarifsystem und schwächte die Gewerkschaften. Folglich sanken die Reallöhne. Der erwirtschaftete Wohlstand wurde zugunsten der Unternehmer und Vermögensbesitzer umverteilt.

Tarifsystem stärken, Mindestlohn erhöhen

Doch damit nicht genug. Die Rentenpolitik der letzten anderthalb Jahrzehnte sorgte dafür, dass künftig Millionen Menschen trotz lebenslanger Arbeit nicht mehr in Würde altern können. Wer monatlich 2600 Euro brutto in der Tasche hat, muss mehr als 33 Jahre Vollzeit arbeiten, um später nicht auf dem Sozialamt zu landen. Kurzum: Eine schlechte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik führte zu mehr sozialer Ungleichheit. Die Armut wuchs und die gesellschaftliche Mitte schrumpfte. Damit muss Schluss sein.

Eine arbeitnehmerorientierte Politik sollte zunächst den Arbeitsmarkt neu ordnen. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns konnte die Verhandlungsposition der Beschäftigten bereits verbessert werden. Jetzt geht es darum das Tarifsystem weiter zu stärken, den Mindestlohn zu erhöhen, Minijobs, ungleich bezahlte Zeitarbeit, unfreiwillige Teilzeitarbeit und Werksverträge durch reguläre Beschäftigung zu ersetzen sowie die Zumutbarkeit abzuschaffen.

Altern in Würde muss möglich sein

In der Rentenpolitik sollte die SPD für eine armutsfeste und lebensstandardsichernde Rente streiten. Das Sicherungsniveau darf nicht unter 50 Prozent liegen. Arbeitslosigkeit, Kindererziehung und Pflege sowie gering entlohnte Erwerbsphasen sollten rentenrechtlich aufgewertet werden. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten kann, darf nicht mit Abschlägen bestraft werden. Eine Mindestrente kann verhindern, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, später zum Sozialamt müssen. Diese Reformen würden ein Altern in Würde wieder ermöglichen.

Eine solche arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verbessert die Arbeits- und Lebensverhältnisse der abhängig Beschäftigten. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir alle anderen Politikfelder vernachlässigen können. Steuer-, Wirtschafts-, Gesundheits- oder Bildungspolitik haben einen wichtigen Einfluss auf die Verteilung von Lebenschancen.

Einkommen und Vermögen höher besteuern

Deutschland muss in den nächsten Jahren in die eigene Infrastruktur investieren. Allein der kommunale Investitionsstau beläuft sich auf über 130 Milliarden Euro. Wir brauchen mehr und bessere Kitas, Schulen und Universitäten. Wir brauchen mehr und bessere Kranken- und Altenpflege. Wir brauchen einen besseren öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Wir brauchen eine ökologische und sichere Energieversorgung. Um aber wieder in die Zukunft investieren zu können, muss die Politik die öffentliche Armut überwinden. Eine Krise des Steuerstaats können wir uns nicht mehr leisten. Deswegen muss der gigantische private Reichtum zur Finanzierung der gesellschaftlich notwendigen Aufgaben herangezogen werden. Dies erfordert eine höhere Besteuerung von großen Einkommen und Vermögen. 

Damit sind die zentralen politischen Herausforderungen benannt. Die SPD sollte mit einer arbeitnehmerorientierten Politik dafür sorgen, dass die abhängig Beschäftigten gut entlohnt, gesund und mitbestimmt arbeiten können sowie sozial abgesichert sind.

Autor*in
Dierk Hirschel

ist Mitglied der SPD-Grundwertekommission und Chefökonom bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

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