Debatte

Warum Parteien auf Jugendliche abschreckend wirken

Auch junge Menschen möchten sich politisch engagieren. Doch die etablierten Parteien wirken auf sie unattraktiv. Um sie dennoch als Mitglieder gewinnen zu können, müssen Jugendliche zuerst den Freiraum bekommen, die Wirkung ihres eigenen Handelns zu erleben.
von Stefanie Hanke · 2. Mai 2017
Schule Unterricht
Schule Unterricht

Immer wieder ist die Rede von Politikverdrossenheit unter Jugendlichen. Gleichzeitig wird gewarnt, dass den Parteien der Nachwuchs ausgehe. Tatsächlich, so zeigt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und des Deutschen Jugendinstitutes (DJI), geben nur drei Prozent der befragten Jugendlichen an, Mitglied einer Partei zu sein. Allerdings belegt dies keine Parteienverdrossenheit oder eine Ablehnung der Demokratie. Während die Mehrheit der Jugendlichen Wahlen als Mittel der politischen Entscheidung bejaht, spüren diese gleichzeitig, dass politische Parteien Einschränkungen unterworfen sind, die ihnen unattraktiv erscheinen.

Engagement hängt von Sozialisation ab

Im Alltag kann beispielsweise über die sozialen Medien ständig und schnell miteinander interagiert werden. In Parteien ist dies nicht möglich. Nur wer Mitglied ist, darf mitmachen und an Entscheidungen teilhaben. Genauso abschreckend wirken stundenlange Ortsvereinssitzungen, Postenhuberei und Machtspiele. Letzteres offenbart einen Widerspruch des politischen Systems: Parteien rekrutieren Personal und ermöglichen Karrieren, bevorzugt ausgewählt werden dann oft aber diejenigen, die sich im Sinne der Partei bewähren. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Menschen besonders gut geeignet sind, gesellschaftliche Probleme zu lösen. In diesem Sinne formuliert die Krise der Parteien die Sehnsucht nach einer Demokratie ohne Organisation.

Im Vergleich zu einer vertikal ausgerichteten repräsentativen Politik hat sich in den letzten Jahrzehnten über soziale Bewegungen und bürgerschaftliche Initiativen ein horizontales Politikverständnis verbreitet. So gab es früher wenige Milieus und diese prägten das ganze Leben. Aus dieser Zeit stammt etwa die Gleichung: Arbeiter = Gewerkschaft = SPD. Dieser Automatismus ist in Resten immer noch gültig. Aus der FES/DJI-Jugendstudie geht hervor, dass die Sozialisation in Familien und Schulen den Ausgangspunkt für das Engagement Jugendlicher darstellt. Mehr als die Hälfte der politisch aktiven Personen wurde durch die Eltern zu politischem Engagement angeregt. Die andere Hälfte kam zufällig oder durch Lehrer zur Politik.

Andersartigkeit der Mitmenschen

Die Schule ist der einzige Ort, an dem alle Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft erreicht werden können. Zu keinem anderen Zeitpunkt hat der Staat so gebündelt die Möglichkeit, Einfluss auf die individuelle Entwicklung zu nehmen. Allerdings vollzieht sich politische Bildung dort in Form von Staatskundelehre oder Sozialkundeunterricht. Dies ist wichtig.

Mehr denn je geht es heute aber auch darum, sich selbst und die eigene soziale Herkunft zu verstehen sowie die Mitmenschen in ihrer Andersartigkeit auszuhalten. Es geht um die Erfahrung eines „Aufeinander-Angewiesenseins“ und führt gleichzeitig die Problematik derjenigen Jugendlichen vor Augen, denen die soziale Anerkennung verwehrt wird. Das Gebot der Stunde ist es, die Wirksamkeit des eigenen Tuns zu erleben und die Möglichkeiten des Dialoges kennenzulernen.

Den eigenen Platz in der Gesellschaft finden

Politisch zu arbeiten bedeutet, harte Bretter zu bohren. Eine Binsenweisheit. Es ist fraglich, ob es einer Gesellschaft zuträglich ist, wenn sie ihren Nachwuchs zu früh an die harten Bretter setzt, die die politischen Parteien für sie bereithalten. Junge Menschen müssen zuerst die Erfahrung machen, dass sie etwas bewegen können. Sie müssen im als sinnvoll erlebten Handeln erfahren, wie es ist, sich selbst und den anderen im Gespräch zu begegnen und wo in der Gesellschaft ein Platz ist, an dem sie einen Unterschied machen können. Letztlich ist jede Form von gesellschaftlichem Engagement dazu eine gute Lehre.

Vielfältiges Engagement an unterschiedlichen Stellen zeichnet eine lebendige Demokratie aus. Und von solchen Erfahrungen gestärkt, gehen die jungen Menschen vielleicht im späteren Leben als reifere Persönlichkeiten bewusst in eine Organisation wie beispielsweise eine politische Partei. Dort geht es dann um Aushandlungsprozesse, um Kompromisse – und oft gilt es, das persönliche Interesse hintanzustellen. Eine Herausforderung, an der übrigens auch viele Ältere scheitern.

Autor*in
Stefanie Hanke

ist Soziologin und arbeitet als Referentin für die Friedrich-Ebert-Stiftung.

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