Warum Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit untrennbar verbunden sind
Dirk Bleicker
Zehntausende junge Menschen, vor allem Schüler*innen, gehen auf die Straße, um sich für eine ambitioniertere Klimapolitik einzusetzen. Es sind diejenigen, die immer wieder als apolitisch, demokratiemüde und politikverdrossen bezeichnet werden. Das Bild stimmte zwar noch nie, aber durch die „Fridays-for-Future“-Demonstrationen wird unübersehbar: Junge Menschen wehren sich dagegen, dass ihre Zukunft verzockt wird und sie in einer Welt leben müssen, die von vorherigen Generationen zugrunde gerichtet wurde.
Die Politik hat noch keine richtige Antwort auf Fridays for Future gefunden. Die Reaktionen schwanken zwischen kleinlauter Bewunderung, Belächelung und Schnappatmung über die Schüler*innen, die ihren Freitagvormittag lieber mit politischem Protest statt mit Mathebüchern verbringen. Einen großen Unterschied machen die verschiedenen Reaktionen jedoch nicht: Das, was sich die Schüler*innen wünschen, nämlich effektive Politik gegen die globale Erwärmung und echte Partizipation für junge Menschen, bietet bislang kaum einer von ihnen an.
Wir haben keine Zeit mehr
Im Gegenteil: Jetzt meinen sogar einige, dass wir uns bei einer solch klimabewussten Jugend ja gar keine Sorgen machen müssten. Eine einfache Strategie, um die eigene Untätigkeit zu verschleiern und die Verantwortung auf jene zu schieben, die gar nicht mitentscheiden dürfen. Aber wir haben keine Zeit mehr. In spätestens elf Jahren ist das CO2 -Budget, das wir maximal noch ausstoßen dürfen, um die durchschnittliche Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten, aufgebraucht.
In den entscheidenden Gremien sind Jugendliche bislang nicht repräsentiert. Gerade in der sogenannten Kohlekommission und in der Verkehrskommission, deren ursprünglicher Anspruch es war, einen gesellschaftlichen Querschnitt abzubilden, fehlten junge Menschen komplett. Die Herabsetzung des Wahlalters wäre daher eine Maßnahme, um eine bessere politische Beteiligung von jungen Menschen zu ermöglichen. Sie würde nicht nur jüngeren Menschen Gehör verschaffen, sondern verdonnerte Parteien auch dazu, sich ernsthafter mit ihren Interessen, Bedürfnissen und Forderungen auseinanderzusetzen.
Wenig Geld bedeutet geringen CO2-Ausstoß
Ein wesentliches Ziel der Klimapolitik ist es, einen lebenswerten Planeten für nachfolgende Generationen zu bewahren. Dass der Klimawandel aber schon heute und ganz konkret Menschen bedroht, verdrängen wir häufig. Dabei sind jene, die am wenigstens für den Klimawandel können, oftmals diejenigen, die am härtesten unter den Folgen zu leiden haben.
Ein in Deutschland lebender Mensch stößt im Jahr rund acht Tonnen CO2 aus, in Amerika stößt jede*r rund 16 Tonnen pro Jahr aus. In Indien sind es gerade einmal eine Tonne und in großen Teilen Afrikas noch einmal deutlich weniger. Der Treibhausgasausstoß pro Kopf korreliert stark mit den finanziellen Mitteln und dem Konsum innerhalb eines Landes.
Es wäre dann ja eigentlich ganz einfach: Bei einer maximalen Ungleichheit, Wirtschaftswissenschaftler*innen sprechen dann von einem Gini-Koeffizienten von eins, wäre eine Person in Besitz des gesamten Vermögens. Nur sie könnte konsumieren – für das Klima wäre das sicher nicht schlecht, für den Großteil der Menschheit schon. Solange ein steigender Konsum mit zusätzlichen Umweltschäden einhergeht, könnte man also tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass es ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit gibt.
Fleisch-Steuer unrealistisch
Gleichzeitig sind Konsumeinschränkungen hierzulande politisch nur schwer zu verkaufen, wie in den Diskussionen rund um ein Tempolimit oder einen Veggie-Day zu sehen war. Vorschläge wie eine Fleisch-Steuer scheinen geradezu revolutionär und unrealistisch. Nur mit Effizienzverbesserungen und Freiwilligkeit wird es jedoch nicht gehen und gerade die Staaten aus dem globalen Norden müssen ihrer Verantwortung für einen Großteil der CO2-Konzentration gerecht werden und ihre Konsummuster umstellen.
Rationalisiert man den Konsum allein durch finanzielle Instrumente werden dadurch meist diejenigen besonders getroffen, die schon heute sozial benachteiligt sind. So schließen höhere Benzinpreise erst einmal diejenigen aus, die sich dann das Autofahren nicht mehr leisten können, während andere ihr Fahrverhalten gar nicht ändern müssten. In einer gleicheren Gesellschaft könnten finanzielle Rationalisierungsinstrumente hingegen dazu führen, dass alle ihren Beitrag leisten müssen. Aus dieser Perspektive bleibt das Eintreten für mehr Gleichheit eine Voraussetzung für effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Es bleiben nur noch elf Jahre
Über die UN hat sich die Weltgemeinschaft einen Masterplan für ein besseres Morgen gegeben: Die 2030-Agenda mit ihren Nachhaltigkeitszielen (SDGs). Sie beinhaltet insgesamt 17 Ziele, die wir bis 2030 erreichen wollen, ja erreichen müssen, um in einer intakten Welt zu leben. Die Bekämpfung von Klimawandel (SDG 13) und sozialer Ungleichheit (SDG 10), sowohl innerhalb als auch zwischen den Staaten, sind lediglich zwei davon. Bis 2030 sind es nur noch elf Jahre. In vielen Bereichen müssten die Anstrengungen deutlich erhöht werden, damit wir überhaupt noch Chancen haben, die SDGs zu erreichen. Höchste Zeit, damit anzufangen.
Felix Kaminski ist Sprecher der Jusos Stuttgart und UN-Jugenddelegierter für nachhaltige Entwicklung.