Warum die SPD eigentlich schon lange für ein Grundeinkommen ist
imago/Christian Mang
Die SPD ist schon lange für ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE). Sie weiß es nur noch nicht Eine steile These für die „Partei der Arbeit“. Oder doch nicht? Schauen wir doch einfach ins Parteiprogramm. Im aktuellen „Hamburger Programm“ steht das BGE schon drin. An verschiedenen Stellen, aber ganz ausdrücklich im „Kapitel 3.7 - Der vorsorgende Sozialstaat“. Dort stehen ganze Sätze und Passagen, die Befürworter des BGE jeden Tag und seit Jahren als Arguemente für ein Bedingungsloses Grundeinkommen verwenden.
Wovor haben wir Angst?
Bereits 2009 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung im Gesprächskreis Sozialpolitik in Zusammenarbeit mit Stephan Lessenich eine Expertise erstellen lassen. Darin wird unter anderem im Kapitel 4, „Sozialdemokratie, Vorsorgender Sozialstaat und Grundeinkommen“ mehrfach darauf hingewiesen, dass das BGE und die SPD zusammengehören. Im Folgenden weist Lessenich allerdings auch darauf hin, dass in letzter Konsequenz die SPD vor konkreteren Ausführungen zurückgeschreckt ist. Es stellt sich die Frage: Warum? Wovor haben wir Angst?
Das Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ ist im Jahr 2020 längst in der Bevölkerung und damit auch in unserer Wählerschaft angekommen. Bereits 2018 ergab eine INSA Umfrage, dass mehr als die Hälfte der Befragten das Thema kannte und befürwortete. Die Tendenz ist dabei eindeutig: Je jünger die Befragten, desto positiver sind sie dem Grundeinkommen gegenüber eingestellt. Nun, im Jahr 2020, in Zeiten der Corona Pandemie, sprossen die Petitionen zu einem wie auch immer gearteten Grundeinkommen wie Pilze aus dem Boden und erzielten innerhalb kürzester Zeit zwischen 176.000 bis zu 468.000 (Stand Juli 2020) Unterschriften. Und das nur digital, zumeist über Facebook.
Dazu erleben gerade viele Menschen am eigenen Leibe oder in ihrem persönlichen Umfeld, was es bedeutet, wenn Einkommen wegbricht oder was echte Existenzangst bedeutet.
Wer geht denn dann noch arbeiten?
Was wäre, wenn jeder ein Grundeinkommen hätte? Dann bräuchten sich auch die Politiker*innen weniger Sorgen um große Teile der Bevölkerung machen, weil ja alle grundversorgt wären. Einige der Konjunkturprogramme könnte man sich sogar sparen. Zudem wird in diesen Zeiten eine der wichtigsten Fragen und beliebtes Gegenargument von Gegnern des Grundeinkommens ultimativ beantwortet. „Wer geht denn dann noch arbeiten?“ Wir alle!
Vor kurzem wurde ich Zeuge eines Gesprächs in einer Bäckerei. Zwei Männer sprachen über die aktuelle erzwungene „Faulheit“ und Beschäftigungslosigkeit wegen Corona. Das Gespräch gipfelte darin, dass der eine meinte, er würde in Kürze verrückt werden, wenn er nicht bald wieder „in seine Firma“ dürfte und der andere das nur noch toppen konnte, indem er meinte, er hätte vor ein paar Tagen sogar wieder mit seiner Frau gesprochen. Scherz beiseite.
All das zeigt, dass sich die SPD trauen sollte, über das Bedingungslose Grundeinkommen vorurteilsfrei und offen zu diskutieren.
Ohne Arbeit kein Grundeinkommen
Erinnert sei an den Parteitag vom Dezember 2019 in Berlin. In vielen Beiträgen durchaus prominenter Genoss*innen wurde immer wieder betont, dass die SPD eben nicht die Partei des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) sei, dafür aber die Partei der Arbeit.
Dabei stehen sich Arbeit und BGE definitiv nicht diametral gegenüber. Sie bedingen vielmehr einander. Ohne Arbeit, ohne Wertschöpfung aus Arbeit jeglicher Art könnte es kein BGE geben. Denn Geld fällt nicht vom Himmel. Diese Einstellung wird aber immer wieder den Befürwortern des BGE unterstellt und somit auch gleich Ahnungslosigkeit und Realitätsferne.
Wir in der SPD sollten endlich verstehen, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht das Ende des Sozialstaates ist, sondern der Anfang hin zu einer Weiterentwicklung und Verbesserung. Und vor allem würden wir mit dem BGE Hartz IV endgültig hinter uns lassen.
In der SPD bewegt sich was
Seien wir also frohen Mutes. Es gab in den vergangenen zwei Jahren bereits mehrere innerparteiliche Initiativen, das Thema BGE in der SPD voran zu bringen. Erwähnt seien hier stellvertretend die Jusos ins Pinneberg und die SPD in Berlin-Lichtenberg.
Andere fangen jetzt damit an. Am 30. Juni wurde in Marl im nördlichen Ruhrgebiet der „AK Grundeinkommen“ gegründet, die Gründung wurde einstimmig vom Stadtverband der SPD in Marl beschlosssen. Im Rahmen der programmatischen Arbeit in der DL21 gibt es ebenfalls einen AK Grundeinkommen, der zum Ziel hat, im Herbst dieses Jahres ein Programm zu schreiben.
Also liebee Genoss*innen, lasst uns über diese Thema offen reden! Denn die SPD ist schon lange für ein Grundeinkommen. Sie weiß es nur noch nicht