Debatte

Warum das Grundeinkommen der SPD nicht weiterhilft

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens klingt gut. Für Sozialdemokraten kann es jedoch kein erstrebenswertes Konzept sein. Die SPD sollte stattdessen auf starke Tarifverträge setzen.
von Enrico Tokar · 22. April 2016
Arbeiter in Damme
Arbeiter in Damme

Ein steuerfinanziertes, bedingungsloses Grundeinkommen wäre auch für mich, als Sozialdemokrat, auf den ersten Blick attraktiv und erstrebenswert. Würde es doch die vermeintlich große Frage der sozialen Gerechtigkeit mit einem Gesetz beantworten. Bei genauer Betrachtung aber muss auffallen, dass genau das zu einer tiefgreifenden Spaltung der Gesellschaft führen kann. Einer Spaltung, die sich zwischen denen, die arbeiten – also produktiv sind – und denen, die das Grundeinkommen bekommen ohne zu arbeiten, auftun wird.

Das Grundeinkommen zerstört die Volkswirtschaft

Hier sei daran erinnert, dass das Grundeinkommen bedingungslos ist. Neid ist eine in der Gesellschaft nicht zu unterschätzende Charaktereigenschaft. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Menschen, die sich aus ihrer intrinsischen Motivation heraus selbst verwirklichen wollen, den Konsumdurst unserer Gesellschaft befriedigen können und wollen.

Aber mal abgesehen von diesen gesellschaftspsychologischen Herausforderungen bleibt die Frage: Was macht so ein Grundeinkommen mit unserer Volkswirtschaft?

Seit Ludwig Erhard haben wir die soziale Marktwirtschaft, die im Wesentlichen darauf fußt, dass es einen Interessensausgleich zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (Gewerkschaften) auf der einen und Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf der anderen Seite gibt. Tarifabschlüsse sind in einer Rezession genauso verantwortungsvoll ausgefallen, wie in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs. Also immer gemessen an der Gesamtproduktivität (BIP) unseres Landes.

Tarifautonomie stärken statt Grundeinkommen einführen

Hier haben die Tarifparteien über Jahrzehnte hinweg verantwortlich gehandelt. Gibt es nun aber ein Grundeinkommen, fallen zwar nicht die Tarifverträge weg, die Arbeitsproduktivität aber würde sinken, da der Faktor Arbeit kleiner würde. Sinkende Produktivität bedeutet auch, sinkende Löhne! Eigentlich müssten ja die Tarifverträge deutlich höhere Lohnabschlüsse beinhalten als das inflationsbereinigte Grundeinkommen, damit sich Arbeit lohnt.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir die Tarifautonomie weiter stärken müssen. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müssen wieder dafür sorgen, dass die Menschen in diesem Land von ihrer Hände Arbeit in angemessenem Wohlstand leben können! Dazu müssen wir prekäre Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträge auf ein Minimum reduzieren und die gesetzlichen Rahmenbedingungen so festlegen, dass Ausbeutung und Willkür unterbunden werden. Etwas mehr als die Hälfte der 41 Millionen Beschäftigten in Deutschland arbeitet unter dem Schutz eines Tarifvertrags. Für die andere Hälfte lohnt es sich zu kämpfen.

Das Grundeinkommen bedeutet weniger soziale Gerechtigkeit

Der Kampf für den aus meiner Sicht irreführenden Weg hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen lohnt dagegen nicht. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist kein sozialdemokratisches Konzept! Es führt nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit, sondern zu weniger. Wollte man dies aber doch umsetzen, stünde der Stresstest für unsere Gesellschaft noch aus.

Autor*in
Enrico Tokar
Enrico Tokar

ist SPD-Mitglied, Offizier der Marine, Betriebswirt und Politologe.

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