Debatte

Ungleichheit in Deutschland: Ungerecht und gefährlich

Die Umverteilung von unten nach oben schadet nicht nur dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch der Demokratie, meint Stefan Körzell.
von Stefan Körzell · 16. Juni 2016
Die Schere zwischen arm und reich
Die Schere zwischen arm und reich

Die Ungleichheit der Einkommen und Vermögen ist in Deutschland größer als in vielen anderen Industriestaaten. Während die Lohnquote (Anteil des Arbeitnehmerentgeltes am Volkseinkommen) im langfristigen Trend rückläufig ist, steigt der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Zwar lagen die ­realen Bruttolohnzuwächse im vergangenen Jahr bei 2,6 Prozent, auch aufgrund geringer Inflation. Aber seit dem Jahr 2000 stiegen sie durchschnittlich nur um 0,3 Prozent. Die Gehälter der Top-Manager legten dagegen kräftig zu: Ein DAX-Vorstandsvorsitzender erzielt im Schnitt das 167-fache eines Arbeitnehmers. Außerdem ist die Vermögenskonzentration außerordentlich hoch: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung besitzen 59,2 Prozent des Gesamtvermögens. Die Vermögensschwächeren 60 Prozent hingegen nur 6,5 Prozent.

Ungleichheit lässt Rechtspopulismus keimen

Ein solches Auseinanderdriften finanzieller und materieller Ressourcen ist eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die aufkeimenden rechtspopulistischen Tendenzen in Teilen Europas zeigen, dass sich immer mehr Menschen ökonomisch ausgegrenzt fühlen. Wohin das führen kann, haben die Wahlerfolge der AfD gezeigt. Ausgeprägte soziale Ungleichheit ist aber auch ökonomisch schädlich. Laut OECD ist die Ökonomie Deutschlands im Zuge zunehmender Ungleichheit seit den 1980er Jahren um sechs Prozentpunkte weniger gewachsen, als sie bei gleichbleibender Verteilung der finanziellen Ressourcen hätte wachsen können.

Die schiefe Verteilung ist Folge jahrelanger Umverteilung von unten nach oben. Der Ausbau des Niedriglohnsektors war politisch gewollt und wurde forciert. Mini-Teilzeit, Minijobs, Befristungen, Pseudo-Werkverträge und Leiharbeit sind auf dem Vormarsch – mit erheblichen Lohneinbußen. Und wer mit seinem Geld kaum auskommt, kann sich auch kein finanzielles Polster für später anlegen. Darüber hinaus wurden Vermögenden noch zahlreiche Steuergeschenke gemacht – zulasten von Normalverdienern und öffentlicher Hand. Die musste in Folge der Steuermindereinnahmen mehr Schulden machen oder Investitionen zurückfahren.

Mindestlohn als Schritt nach vorn

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn wurde ein Anfang gemacht, die ökonomische Ungleichheit zu verringern – davon profitieren insbesondere Ungelernte, Frauen und Beschäftigte im Osten. Auch die guten Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre haben die Einkommenssituation vieler Beschäftigter verbessert.

Aber es bleibt noch viel zu tun und auch die Politik ist gefragt: Vermögende müssen einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten – durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer, einer wirkungsvollen Erbschaftsteuer und höhere Steuern auf Spitzeneinkommen. Die Abgeltungssteuer, die Kapitaleinkünfte pauschal mit 25 Prozent besteuert, gehört abgeschafft. Es leuchtet nicht ein, warum Kapitaleinkünfte gegenüber Arbeitseinkommen steuerlich privilegiert werden.

Ungleichheit muss jetzt bekämpft werden

Außerdem muss das Niveau der gesetzlichen Rente stabilisiert werden. Wir können uns keine ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen leisten. Die Bekämpfung der Ungleichheit ist eine zentrale Frage unserer Zeit.

Eine Bestandsaufnahme zum Thema Ungleichheit in Deutschland lesen Sie hier

Autor*in
Stefan Körzell

ist Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund.

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