Debatte

IS-Terror: Die bärtigen Kopfabschneider wollen die Weltherrschaft

Eine Staatsbildung durch den IS hilft nicht im Kampf gegen den Terror. Sie widerspricht auch dem Selbstverständnis des IS: Der ist auf immer neue Beutezüge und auf permanente Ausdehnung angewiesen, sonst droht er zu kollabieren. Genau das ist die Chance des Westens.
von Jörg Armbruster · 8. Dezember 2015
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Lässt sich der sogenannte Islamische Staat mit friedlichen Mittel besiegen und beseitigen? Kann man mit dem selbsternannten Kalifen Baghdadi verhandeln? Ist die Führungsspitze dieses Terrorgebildes überhaupt rationalen also vernunftbestimmten Argumenten zugänglich? Kann  der Islamische Staat tatsächlich so etwas wie ein international anerkannter Staat werden?

Jede dieser Fragen muss wohl mit einem klaren Nein beantwortet werden. Weder ist der IS ein völkerrechtlich anerkannter Staat, noch kann er es werden, da er ohnehin allen anderen Staaten, die sich ihm nicht unterwerfen wollen,  den Krieg erklärt hat.

IS will Herrschaft über alle Moslems

Als sich im vergangenen Jahr die in Syrien und im Irak operierende Terrororganisation ISIS, also Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien – dazu gehören Syrien, Libanon, Jordanien, Palästinensergebiete und Israel - in den schlichter klingenden Islamischer Staat  also IS umbenannte, steckte hinter diesem Namenswechsel ein politisches Programm. Dieser IS beansprucht seit dem  nicht mehr nur den Irak und Großsyrien als Herrschaftsgebiet sondern will seine Herrschaft über alle islamischen Länder ausdehnen. Bagdadi rief sich schließlich zum Kalifen aller Muslime aus, auch der schiitischen; die sind zwar nicht viel mehr als vom Glauben abgefallene, können aber zur „wahren Lehre“ zurückkehren, wenn nicht dann werden sie  getötet.

Der Islamische Staat anerkennt keine Landesgrenzen, die Propagandisten dieser Terrororganisation sprechen daher auch nur von Fronten, die verschoben werden müssen nicht von Grenzpfählen. Vermutlich träumen diese Bärtigen von der Weltherrschaft, wenn sie ihre schwarzen Fahnen schwenken, schließlich hatten ihre Vorbilder, die islamischen Armeen kurz nach Gründung der Religion, in wenigen Jahrzehnten die halbe damals bekannte Welt erobert. So erfolgreich wollen diese modernen Kopfabschneider des Kalifen auch sein.

Das Selbstverständnis einer Terrortruppe

Wenig wahrscheinlich also, dass sich diese auf permanente Expansion ausgerichtete Terrororganisation auf ein eingehegtes  Territorium mit festen Grenzen einlässt und wohlmöglich noch auf einen „Staatsbildungsprozesses (...), der irgendwann in einem akzeptierten Mitglied der Staatengemeinschaft enden werde“, wie Professor Herfried Münkler in seinem Artikel schreibt. Ein solcher Prozess widerspricht zu tiefst dem Selbstverständnis dieser Terrortruppe, die sich im vergangenen Jahr noch gefeiert hatte, die alten Sykes-Picot Grenze zwischen Syrien und dem Irak niedergerissen zu haben. Genauso wollen sie die Zäune zwischen dem eigenen Herrschaftsbereich und Jordanien oder der Türkei beseitigen, schließlich hat in ihren Vorstellungen Allah ein zusammenhängende islamische Welt vorgesehen ohne solchen künstliche Grenzmarken, die ohnehin von Menschenhand gemacht sind und damit gegen diesen ‚göttlichen Plan’ verstoßen, daher  haram, also Sünde, sind.

Außerdem ist der IS wie einst die Piraten auf immer neue Beutefeldzüge angewiesen, um die eigene Herrschaft zu finanzieren. Auch wenn er sich Staat nennt, über eine staatliche Infrastruktur, die in der Lage ist, nachhaltig Einnahmen zu erwirtschaften, die Bevölkerung zu versorgen oder Arbeitsplätze zu schaffen, über eine solche Infrastruktur verfügt er  nicht, braucht aber sehr viel Geld, um seine Terrorkrieger zu alimentieren und bei Laune zu halten.  Er steht daher unter dem Zwang sich permanent ausdehnen zu müssen, andernfalls droht er zu kollabieren. Diese Freibeuterökonomie  des IS ist auch eine der Chancen seiner Gegner, wenn es ihnen gelingt ihn wirtschaftlich trocken zu legen.

Hoffen auf bessere Zeiten hilft nicht

Was also hilft dann gegen diese Terrororganisation? Sicherlich nicht Staatenbildung und hoffen auf bessere Zeiten. Aber ist Militär die richtige Antwort? Stimmt der Satz der Verteidigungsministerin, die im Bundestag sagte: „Um diese Mörderbande zu stoppen, dieses brutale Töten und das Schinden der Menschen in dieser Region zu beenden, braucht es militärische Mittel.“ Dieser Satz ist zwar brachial dennoch richtig aber unvollständig.

In erster Linie müssen die Ressourcen des IS zerstört werden, die Ölfelder zum Beispiel. Davon reden US-Strategen zwar schon seit einem Jahr, doch erst vor ein paar Wochen haben Kampfflugzeuge der USA über 100 Tanklaster bombardiert, ohne die das Öl nicht zum Kunden kommen kann. Warum dies erst jetzt, mehr als ein Jahr nach der Eroberung Mosuls? Oder die Türkei. Dass der illegale Ölschmuggel auch über das NATO-Mitglied  Türkei abgewickelt wird, diesen erheblichen Verdacht gibt es schon seit langem. Warum hat der Westen bisher zugeschaut? Für die Türkei war immer die PKK der gefährliche Feind nicht der IS. Das scheint sich jetzt allmählich zu ändern.

Druck auf Saudi-Arabien ist nötig

Genauso muss Saud- Arabien unter Druck gesetzt werden, keine Djihadistenmilizen im syrischen Krieg mehr zu unterstützen, also keine Waffenlieferungen mehr. Das Herrschaftsgebiet der IS ist nur ein Schlachtfeld von mehreren in Syrien und dem Irak. Noch immer wollen die meisten Rebellenmilizen erst Assad stürzen, dann gegen den IS vorgehen. Der Westen dagegen glaubt, die verschiedenen Konflikt säuberlich voneinander trennen zu können. Tatsächlich sind sie aber eng ineinander verflochten. Den Krieg im Jemen muss man eigentlich in diese Gemengelage noch hineinrechnen. Das macht die Antwort auf die Frage, was tun gegen den IS, so komplex. Das macht auch die Suche nach Bündnispartner schwierig. Kann man mit den Russen gegen den IS, obgleich diese Assad an der Macht halten wollen? Oder der Iran?

Wichtig und richtig war jedenfalls die Entscheidung bei den Wiener Verhandlungen diesen wichtigen Unterstützer Assads mit an den Tisch zu holen. Schließlich sind es iranische Generäle, die die wichtigsten Milizen auf der Regimeseite kommandieren. Aber um Himmelswillen warum erst jetzt? Dass alle wichtigen Akteure des Konfliktes miteinander reden müssen, ist schließlich eine Binsenweisheit.

Bombardieren des IS allein reicht nicht

Also Bombardieren alleine reicht nicht, ein Plan muss her, muss Antwort auf die Frage geben, wer soll Bodentruppen stellen. Es müssen sunnitische Truppen sein, denen man möglichst nicht den Vorwurf machen kann, sie wollten den Islam zerstören. Zur Stunde scheint aber kein arabisches Land bereit zu sein solche Truppen zu stellen. Dann muss eine Antwort auf die Frage gefunden werden, was passiert nach dem IS mit dem von ihm heute besetzten Gebiet? Wieder aufteilen zwischen Irak und Syrien? Wollen die irakischen Sunniten überhaupt in das von den Schiiten dominierten Irak zurückkehren? Und schließlich die Frage: welches Nachkriegssyrien wollen die Syrer, eine Machtteilung zwischen altem Regime und den Rebellen? Und welchen Rebellen? Wie wird man die Djihadisten los, die nicht zum IS gehören?

Den IS jedenfalls zu einem international anerkannten Staat heranreifen zu lassen, diese Vorstellung verbietet sich, glaube ich, von selbst, auch wenn es solche Staatsgründungen schon gegeben hat. Das wahabitisch-sunnitische Saudi Arabien  zum Beispiel ist so in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden, als dessen fanatisierten Wüstenkrieger eine ähnlich breite Blutspur im Wüstensand der arabischen Halbinsel hinterlassen hatte wie die Krieger des IS im Irak und in Syrien heute.

 

Autor*in
Jörg Armbruster am Stand des vorwärts-Verlags auf der Frankfurter Buchmesse.
Jörg Armbruster

war langjähriger ARD-Korrespondent für den Nahen Osten.

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