Debatte

SPD-Politiker: Warum Flensburg das Grundeinkommen testen sollte

Die neue Landesregierung von Schleswig-Holstein will die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens ausprobieren. Florian Matz, Vorsitzender der SPD in Flensburg, will die Stadt an der Förde zum Modellort machen. Das sind seine Gründe.
von Florian Matz · 26. September 2017

Flensburg, gelegen an der Flensburger Förde inmitten der deutsch-dänischen Grenzregion, in der seit langer Zeit die Dänische Minderheit gemeinsam mit der Deutschen Mehrheit die Entwicklung der Stadt vorantreibt, gibt es auch immer wieder die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Der Blick nach Skandinavien im politischen wie auch gesellschaftlichen Alltag ist hier ebenso selbstverständlich wie das Interesse, gute Ideen unserer europäischen Nachbarn auch in Flensburg zu realisieren. Dies gilt aktuell für das bedingungslose Grundeinkommen und dem Ziel, dieses nach dem Beispiel Finnlands im Rahmen einer Versuchsphase einmal in Flensburg zu erproben. 

Flensburg: hohe Arbeitslosigkeit und heterogener Arbeitsmarkt

Mit einer Arbeitslosenquote von etwa 8,9 Prozent ist die Arbeitslosigkeit in Flensburg überdurchschnittlich hoch. Die Hartz-Gesetzgebung wird von den Betroffenen, wie auch in anderen Gegenden in Deutschland, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist, eher als Drangsalierung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger empfunden, als ein Instrument der Aktivierung. Gleichzeitig hat Flensburg einen heterogenen Arbeitsmarkt, der nicht von einzelnen Akteuren abhängig ist, sondern geprägt ist von vielen unterschiedlichen Branchen und Arbeitgebern.

Als vor zwei Jahren am Flensburger Bahnhof unzählige Geflüchtete auf ihrem Weg nach Skandinavien strandeten und fast ein Jahr immer neue Geflüchtete kamen, wurden hunderte, ja tausende von ehrenamtlichen Händen gebraucht. Aus allen Teilen der Bevölkerung kam die notwendige Hilfe. Dabei halfen auch unzählige Erwerbslose ehrenamtlich dabei mit, alle Herausforderungen zu lösen. Nicht wenige bekamen in der Zeit Schwierigkeiten mit dem Jobcenter aufgrund ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit der Begründung, sie müssten der Vermittlung in Arbeit zur Verfügung stehen. Dabei hatten sie längst die Tätigkeit gefunden, die sie erfüllte, und leisteten gleichzeitig einen wertvollen Dienst für die Gesellschaft. 

Eigeninitiative unterstützen statt behindern

Für viele von ihnen war es auch ein Weg in eine bezahlte Beschäftigung. Noch heute arbeiten viele der Flüchtlingshelfer in diesem Bereich und konnten dadurch sogar eine hauptamtliche Anstellung erreichen. Und genau das ist es, was wir Sozialdemokraten eigentlich mit der Hartz-Gesetzgebung erreichen wollten. Wir wollen allen Menschen sagen „Du wirst gebraucht! Wir schreiben Dich nicht ab!“. Wir wollten Eigeninitiative unterstützen statt behindern.  

Die ersten Erkenntnisse des finnischen Versuchs mit 2000 Teilnehmer scheinen zu belegen, dass genau das mit dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) erreicht werden kann. Befragungen der Probanden haben ergeben, dass die Teilnehmer motivierter, weniger gestresst und zufriedener sind. Sie kümmern sich aktiver um eine Beschäftigung und bringen sich weiterhin ehrenamtlich ein.

Wachsende Bereitschaft für das Grundeinkommen

Schon in meiner Zeit bei den Jungsozialisten Anfang der 2000er haben wir bundesweit intensiv über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert. Der Beginn der Debatte innerhalb der Jusos ist sogar noch viel älter. Doch lange Zeit sah es so aus, als gäbe es keine Chance für eine Umsetzung dieser Idee. Doch das finnische Zwischenergebnis zeigt uns auf, dass wir mit dem BGE tatsächlich einen Teil der gesuchten Lösungen erreichen können. Lösungen gegen die klaffende Schere zwischen Arm und Reich, Lösungen gegen wachsende Ungleichheit, Lösungen für mehr Gerechtigkeit.

Aktuell wird die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens stärker in der Gesellschaft diskutiert als je zuvor. Erste Vereine beginnen, die Idee selbst in die Hand zu nehmen und es zu versuchen. Dies führt zu der erstmaligen Situation in Deutschland, dass es eine wachsende Bereitschaft gibt, ein Bedingungsloses Grundeinkommen auszuprobieren. Erstmals ist ein breites gesellschaftliches Bündnis für einen solchen Versuch möglich. 

Das Grundeinkommen ist eine Chance für die SPD

Ich hielte es für einen riesigen Fehler der Sozialdemokratie, wenn wir uns nicht konstruktiv in diese Debatte einmischen würden. Das Bedingungslose Grundeinkommen bietet die Chance, unsere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit zu verwirklichen und unsere Kraft auf diejenigen zu fokussieren, die Hilfe brauchen. 

Flensburg bietet die Chance das BGE in einem Umfeld zu erproben, das groß genug ist, neue Erkenntnisse zugewinnen. Mit der Europauniversität Flensburg, deren Schwerpunkte unter anderem auf Nachhaltigkeitsentwicklung und gesellschaftliche Transformation liegen, gäbe es eine hervorragende Möglichkeit, die Erprobung wissenschaftlich begleiten zu lassen. Und die Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) hat ihre Unterstützung zu unserem Vorstoß ohnehin bereits zugesagt. Wir wollen nach Jahrzehntelanger Diskussion endlich den Versuch wagen. Dafür bietet Flensburg die richtigen Rahmenbedingungen.

Autor*in
Florian Matz

ist SPD-Kreisvorsitzender in Flensburg und Mitglied der Ratsversammlung Flensburg.

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