Debatte

So will der Paritätische Gesamtverband Hartz IV abschaffen

Hartz IV sei „objektiv gescheitert“, sagt Ulrich Schneider. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands will die Arbeitslosenhilfe komplett umkrempeln. Dabei müsse es mehr als „Reförmchen“ geben, fordert er – und setzt seine Hoffnung auf die SPD.
von Paul Starzmann · 26. April 2018
Ulrich Schneider
Ulrich Schneider

In Sachen Hartz IV habe Hubertus Heil „die Latte relativ hoch gesetzt“, sagt Ulrich Schneider. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes sitzt am Donnerstag in der Bundespressekonferenz und lobt den SPD-Bundesarbeitsminister. Der hatte vor kurzem signalisiert: Ein Ende von Hartz IV könne er sich durchaus vorstellen. Schneider gefällt das, wie Hubertus Heil will auch er Hartz IV „überwinden“, sagt er.

„Hilfe statt Strafe“

Zwar habe der Bundesarbeitsminister mit dem Koalitionsvertrag „ein enges Korsett, aus dem er nicht herauskann“, so Schneider. Dennoch werde sich in Sachen Hartz IV bald etwas bewegen, zeigt sich der Chef des „Paritätischen“ zuversichtlich. Mit einem „Reförmchen“ sei es aber nicht getan. Das System Hartz IV sei „objektiv gescheitert“ und gehöre abgeschafft.

Die „Leitschnur“ für die Reformen müsse der „Respekt vor dem Arbeitslosen und seinen Angehörigen“ sein, fordert Schneider. Der Mensch müsse in den Mittelpunkt der Sozialpolitik gestellt werden. „Hilfe statt Strafe ist unsere Devise.“

Hartz-IV-Regelsatz von 571 Euro

Als erstes will Schneider das System der Arbeitslosenversicherung verändern – „wieder stark machen“, wie er es nennt. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung nach einer längeren Auszahlung des Arbeitslosengelds (ALG I). Wer seinen Job verliert, bekommt derzeit ein Jahr lang ALG I. Schneider will diesen Zeitraum auf 18 bis 36 Monate verlängern – je nach Alter der Bezieher. Einen neuen Job zu finden, dauere nun mal häufig länger als ein Jahr.

Auch bei der Berechnung der Leistungssätze für Hartz-IV-Empfänger müsse dringend etwas getan werden, fordert Schneider. Er will, dass die Bundesregierung als „Sofortmaßnahme“ die Regelsätze für Hartz IV um 37 Prozent erhöhe. Statt aktuell 416 Euro sollten 571 Euro ausgezahlt werden. „Alles darunter halten wir für nicht akzeptabel“, so Schneider.

Sanktionen abschaffen

Im Zuge einer umfassenden Sozialreform fordert der „Paritätische“ außerdem die Einführung einer „Kindergrundsicherung“. Dabei soll jede Familie statt des heutigen Kindergelds vom Staat einen festen Betrag pro Kind bekommen – maximal 619 Euro. Das Geld soll mit dem Einkommen der Eltern verrechnet werden. Wer gut verdient, würde also weniger erhalten. „Der Familienleistungsausgleich würde endlich vom Kopf auf die Füße gestellt“, erläutert Schneider. „Wer am wenigsten hat, bekommt am meisten.“

Die „Abschaffung der Sanktionen“ für Bezieher von Sozialleistungen ist ein weiteres zentrales Anliegen des „Paritätischen“. Bei der Förderung von Arbeitslosen „müssen wir von einem Sanktions- zu einem echten Hilfesystem gelangen“, sagt Schneider. So müsse der Staat mehr Geld in die Weiterbildung von Erwerbslosen stecken. Es brauche individuelle Maßnahmen, die auf die einzelnen Arbeitslosen zugeschnitten seien.

Was macht die Groko?

Schneider unterstützt die Idee eines „sozialen Arbeitsmarkts“, wie ihn die Groko vorschlägt. Auch sollten nach dem Willen des „Paritätischen“ Hartz-IV-Empfänger in Zukunft mehr dazuverdienen dürfen, außerdem müsse der Mindestlohn auf elf bis zwölf Euro erhöht werden. Welcher Job für Arbeitslose als „zumutbar“ gelte, müsse ebenfalls überdacht werden, findet Schneider.

Der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands setzt seine Hoffnung auf die große Koalition – speziell: auf die SPD. Im Arbeitsministerium fühle er sich gut verstanden, sagt Schneider. Auch habe die neue SPD-Chefin Andrea Nahles schon in der vergangenen Legislaturperiode als Bundesrbeitsministerin die Sanktionen für junge Arbeitslose lockern wollen. „Das ist damals ganz klar an der CSU gescheitert“, kritisiert Schneider. Umso gespannter warte er nun darauf, wie das Thema Hartz IV in der neuen Groko diskutiert werde.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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