Schauspieler Hans-Werner Meyer: „SPD muss soziale Missstände klarer benennen“
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Ganz offensichtlich haben viele Menschen gegen die eigenen Interessen und für ihre Angst vor Veränderung und Verlust ihrer Identität gewählt. Diese Angst wird nicht verschwinden, wenn man sie ignoriert. Auch traditionelle SPD-Wähler erzählen mir Geschichten etwa von Frauen, die in einer Dönerbude plötzlich nicht weiter bedient werden, weil ein Mann den Laden betritt, der dann vorgezogen wird, Geschichten von verzögerter oder verweigerter Integration, Geschichten auch von Perspektivlosigkeit und Bedeutungsverlust.
Hans-Werner Meyer, Schauspieler: „SPD muss soziale Missstände klarer benennen“
Die SPD darf Begriffe wie Identität, Kultur und Nation nicht den rechten Rattenfängern überlassen. Die Entscheidung, in die Opposition zu gehen, halte ich für richtig. Es wäre unverantwortlich gewesen, diese wichtige Aufgabe Leuten zu überlassen, die von den Ängsten der Menschen profitieren wollen, indem sie sie verstärken, um damit ihre Agenda von Ausgrenzung voranzutreiben. Dort fällt der SPD jetzt die Aufgabe zu, soziale Missstände klarer zu benennen und jenen Menschen wieder ein Gefühl von Heimat zu vermitteln, die sich nicht mehr wahrgenommen fühlen.
Heimatliebe heißt nicht Fremdenhass, sondern Verantwortungsbewusstsein für die Region, in der man lebt. Stolz zu sein auf die eigene Kultur bedeutet nicht, andere Kulturen zu verachten, sondern zunächst einmal, sich für die eigene wirklich zu interessieren. Und Integration heißt nicht Gleichgültigkeit kulturellen Unterschieden gegenüber, sondern aktives Teilnehmen an der Gestaltung der gemeinsamen Zukunft. Wenn die SPD in der Opposition jene Begriffe, mit denen die Rechtspopulisten Ängste schüren, wieder positiv besetzt, kann vielleicht das verlorene Vertrauen jener Menschen, die vor der Zukunft Angst haben, wiedergewonnen werden.
Alfonso Pantisano, Moderator: „Solidarität umfassender denken“
„Wir müssen uns wieder mehr um die kleinen Leute kümmern.“ Das ist ein Satz, der mich stört. Dass wir nicht von „klein“ sprechen sollten, wenn es um Menschen geht: geschenkt, das zähle ich jetzt mal nicht mit. Was ich problematisch finde ist dieses „Wir“, weil es so tut als gebe es da uns als Partei und da die anderen. Unser „Wir“ sollte eines sein, in dem wir uns alle auf Augenhöhe begegnen, in dem Menschen nicht umkümmert werden. Wir sollten ein „Wir“ schaffen, in dem jeder Einzelne sich als Geber und Nehmer begreifen kann, in dem jeder nicht nur Unterstützung für seine Themen, sondern auch einen Gestaltungsraum für seine Stärken finden kann.
Solidarität heißt, dass die, die mehr haben, es denen geben, die es brauchen. Doch das gilt nicht nur für wirtschaftliche Stärke. Wir alle haben Bereiche, in denen wir bedürftig, und welche, in denen wir kraftvoll sind. Wir sind nicht nur arm oder reich, wir sind alt und jung, gesund oder krank. Wir werden diskriminiert oder privilegiert, weil wir Mann oder Frau, vom Land oder aus der Stadt sind, queer oder hetero, deutsche Wurzeln haben oder nicht. Wenn wir Solidarität umfassender denken, gibt es keine kleinen Leute. Dann sind wir alle groß.