Debatte

Rentenberater: Warum die Rente mit 67 ein Fehler war

Renten unter 1000 Euro im Monat sind schon heute keine Seltenheit. Ein Anheben des Renteneintrittsalters wird daran nichts ändern – im Gegenteil, weiß DRV-Rentenberater Helmfried Hauch aus Erfahrung.
von Vera Rosigkeit · 11. November 2016
Das Anheben des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre war ein Fehler, sagt Helmfried Hauch.
Das Anheben des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre war ein Fehler, sagt Helmfried Hauch.

Das Thema Rente nimmt Fahrt auf. Beinahe reflexartig tritt damit auch die Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter auf die politische Agenda. Nicht so bei Helmfried Hauch. „Das größte Problem ist das Anheben des Renteneintrittsalters für bestimmte Berufsgruppen“, erklärt er. Als ehemaliger Angestellter und Gesamtvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der Berliner Stadtreinigung weiß Hauch um die gesundheitliche Belastung der Berufsgruppe der Straßen- und Grünflächenreiniger und Müllwerker.

Thema Rente: Die Sorgen wachsen

Außerdem berät Hauch als einer der rund 2.600 ehrenamtlichen Berater der Deutschen Rentenversicherung (DRV) monatlich rund 20 bis 40 Ratsuchende in Rentenfragen. „Ich unterstütze bei Fragen zum Versicherungsverlauf, beim Antrag auf Rente oder Rehabilitations-Lleistungen“, sagt der 62-jährige, der seit einem Jahr selber Rente bezieht. Die Bandbreite der Ratsuchenden reicht von der Verkäuferin bei Kaisers über den freien Journalisten zum Theaterschauspieler. Die Verunsicherung beim Thema Rente sei bei vielen, auch jüngeren Kollegen groß, berichtet er. Hauch: „Die Sorgen wachsen.“

Auch die gesundheitlichen Einschränkungen der Erwerbstätigen würden zunehmen, sagt Hauch. Mehr Anträge auf Erwerbsminderungsrente seien die Folge. „Viele Kollegen können nicht mehr und schleppen sich jeden Tag zur Arbeit, weil sie es sich nicht leisten können, mit Abschlägen in Rente zu gehen“, betont er. Denn wer früher in Rente geht, muss mit Abschlägen bis zu 15 Prozent rechnen.

In bestimmten Berufsfeldern seien die gesundheitlichen Belastungen sehr groß, zum Beispiel im Pflegebereich. Hauch: „Manche Krankenpfleger steigen schon mit 45 Jahren aus.“ Davon seien besonders Frauen betroffen. Auch von niedrigen Einkommen, z.B. im Handel. Doch die Höhe der Rente hängt maßgeblich vom Einkommen und den Erwerbsjahren des Beschäftigten ab.

Geringverdiener besser stellen

Die Berechnungen dabei basieren auf einem sogenannten Durchschnitts- oder Eckrentner: Wer 45 Jahre immer Durchschnittsverdiener war (2016 beträgt der Durchschnittsverdienst 3.020 Euro brutto/Monat), hat pro Jahr einen Entgeltpunkt in der Rentenversicherung erwirtschaftet. Zur Zeit wird ein Entgeltpunkt im Westen mit einem Rentenwert von 30,45 Euro bewertet (im Osten mit 28,66 Euro). Multipliziert mit den 45 Erwerbsjahren kommt ein „Eckrentner“ in 2016 auf 1.370 Euro Brutto (45 x 30,45 Euro).

Das Problem: Die im Handel tätigen Kollegen verdienen auch bei Vollzeit deutlich weniger und erreichen manchmal nur 0,6 Entgeltpunkte, erklärt Hauch. Renten von unter 1000 Euro seien deshalb schon lange keine Seltenheit mehr. Der Rentenberater und Vater einer 23-jährigenTochter blickt sorgenvoll in die Zukunft. Für die künftige Generation sei eine kontinuierliche Erwerbsbiografie kaum noch erreichbar, befürchtet er. Ihre Lebensrealität sei durch Praktika und Zeitverträge bestimmt. Auch deshalb plädiert Hauch dafür, dass es kein weiteres Absenken des Rentenniveaus geben darf und fordert, Geringverdiener besser zu stellen.

Aber vor allem müssten sich die Arbeitsbedingungen verändern, sagt Hauch. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre sei ein Fehler gewesen. Hauch: „Wenn man die Anhebung nicht zurücknehmen will, muss man die Bedingungen ändern, damit die Leute länger arbeiten können.“

 

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag: Warum arbeiten bis 69 die Lösung des Rentenproblems sein soll

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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