„Recht auf Sparen“ - eine Selbstverständlichkeit für alle?
Thomas Imo/photothek.net
Das, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste, ist es bislang keineswegs. Zumindest nicht für Menschen, die wegen einer Behinderung auf individuelle Unterstützungsleistungen wie Assistenz, Hilfsmittel etc. angewiesen sind. Der Bezug dieser als „Eingliederungshilfe“ bekannten Leistungen setzen für einen Alleinstehenden die Einhaltung einer monatlichen Einkommensgrenze von aktuell 798 Euro zuzüglich Kosten für eine angemessene Unterkunft sowie einen Vermögensfreibetrag von 2600 Euro voraus.
Leben auf Sozialhilfeniveau trotz Berufstätigkeit
Das hat zur Folge, dass diese Menschen trotz Berufstätigkeit mit zum Teil hoher Qualifikation dauerhaft auf Sozialhilfeniveau leben müssen. Sie haben keine Chance, sich eine Altersvorsorge aufzubauen oder schlicht einmal im Jahr Urlaub zu machen. Damit aber nicht genug: Nach geltender Rechtslage wird nicht nur das Einkommen und Vermögen des Betroffenen nahezu vollständig einkassiert, sondern auch dasjenige des Ehepartners – eine Familie zu gründen macht in dieser Konstellation also arm. Zu der finanziellen „Entreicherung“ kommt schließlich die als besonders demütigend empfundene permanente Verpflichtung zur Offenlegung der gesamten wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse beim Sozialamt.
Damit muss endlich Schluss sein! Menschen mit Behinderungen haben die berechtigte Erwartung, dass mit dem aktuell in der Erarbeitung befindlichen Bundesteilhabegesetz, mit dem eine grundlegende Reform der Eingliederungshilfe erfolgen soll, substantielle Verbesserungen einhergehen. Dazu gehört vor allem die Streichung des Bedürftigkeitsgrundsatzes. Sie fordern die gleichen finanziellen Möglichkeiten und Perspektiven, wie sie für Menschen ohne Behinderung selbstverständlich sind.
Keine Anrechnung auf Einkommen und Vermögen gefordert
Deutschland hat sich mit der Ratifikation des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen die volle und wirksame Teilhabe gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft zu ermöglichen. Eine volle und wirksame Teilhabe nach den Maßstäben der UN-Behindertenrechtskonvention kann aber nur gelingen, wenn bei der Bereitstellung aller behinderungsbedingt notwendigen Leistungen vollständig auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen der Leistungsberechtigten selbst sowie deren Angehöriger verzichtet wird. Passiert dies nicht, wird die Behinderung über die unmittelbaren Beeinträchtigungen hinaus immer zu wirtschaftlichen und persönlichen Einbußen führen.
Anders ausgedrückt: Wenn Leistungen zur Beseitigung oder Minderung eines Nachteils nur unter Anrechnung von Einkommen und Vermögen in Anspruch genommen werden können, wird keine tatsächliche Gleichstellung erreicht. Die geschaffene Teilhabe ist dann gerade nicht gleichberechtigt. Das wiederum läuft dem Prinzip der Chancengleichheit zuwider und ist zumindest als mittelbare Diskriminierung zu bewerten - ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und auch gegen Artikel 3 Abs. 3 S. 2 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
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ist Mitglied im Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ). Das FbJJ hat 2013 einen eigenen Vorschlag zur Weiterentwicklung des Rechts auf soziale Teilhabe vorgelegt, der unter www.teilhabegesetz.org einsehbar ist.