Debatte

Raed Saleh: Warum soziale Gerechtigkeit in der Kita beginnt

Mit der Kita fängt es an: In der schrittweisen Abschaffung der Gebühren sieht Raed Saleh von der SPD-Berlin einen großen Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Damit allein gibt er sich jedoch nicht zufrieden.
von Raed Saleh · 6. September 2016
Kinder in der Kita
Kinder in der Kita

In Berlin wird Bildung gebührenfrei - von der Kita bis zur Uni. Ab 2006 hatte die sozialdemokratische Regierung in Berlin die letzten drei Kitajahre beitragsfrei gestellt - und das, obwohl Berlins Kassen damals noch klammer waren als heute. Nun werden auch die ersten drei Kitajahre schrittweise beitragsfrei. Den Anfang machten die zweijährigen Kinder in diesem August, die beiden jüngsten Altersgruppen folgen. Etwa 75 Prozent aller Berliner Kinder im Alter unter drei Jahren besuchen die Kita. Seit 2012 wurden in der Stadt 20.000 Kitaplätze geschaffen.

Gebühren weg, Betreuungsschlüssel runter

Bis wir die Abschaffung der Kitagebühren im Doppelhaushalt 2016/17 durchsetzen konnten, war es ein langer Weg. Für den Koalitionspartner CDU stand das Thema nicht auf der Tagesordnung, Linke und Grüne kritisierten den Beschluss und spielten rhetorisch die Gebührenfreiheit gegen die Qualität in der Kita aus. Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Zeitgleich mit der Abschaffung der Gebühren senken wir schrittweise den Betreuungsschlüssel für die kleinsten Kinder auf 3,75 Kinder pro Erzieherin oder Erzieher ab.

Ein beliebtes Argument der anderen Parteien gegen die Abschaffung der Kitagebühren war, dass diese nur „die Reichen“ beträfe. Dabei bezahlen selbst Niedrigverdiener-Paare in Berlin für einen Vollzeitplatz schnell um die 100 Euro pro Monat. Ein Betrag, den ich als eine Strafsteuer auf Kinder bezeichne. Hätten wir die Niedrigverdiener und die Mittelschicht von den Kitagebühren freigestellt, und nur „die Reichen“ zahlen lassen, dann wären am Ende die Verwaltungskosten größer als die Einnahmen gewesen. Kitagebühren können ein ungerechtes Steuersystem nicht reparieren.

Gebührenfreiheit als Markenzeichen

Für uns ist die Kita Teil des staatlichen Bildungsauftrags und nicht nur ein freundlicher Zusatzservice. Denn Kitazeit ist Bildungszeit: Kinder lernen in der Kita die Sprache, den Umgang mit Gleichaltrigen und das soziale Miteinander. Daher sollten Kitas genauso wie Schulen und Universitäten aus Steuermitteln finanziert werden.

Die Gebührenfreiheit ist für uns aber nicht nur ein Einzelschritt, dahinter steht eine Idee für das Profil Berlins. Wenn man an Köln denkt, dann an den Dom und Karneval. Denkt man an München, dann an eine industrielle Herzkammer im Süden, bei Frankfurt denkt man an Banken.

Bei der Kita nicht Halt machen

Unsere Vision für Berlin ist, dass wir die familienfreundlichste Stadt Europas sein wollen. Dazu gehört, dass Familien in unserer Stadt keine Sorgen um die Betreuung ihrer Kinder haben müssen. Dazu gehört aber auch, dass die Gründung einer Familie nicht arm machen darf. Deshalb werden wir ebenfalls die Hortgebühren und die Bedarfsprüfung für den Hort abschaffen. Wenn wir es ernst meinen mit der Ganztagsschule und der Hort zum Bildungsumfeld gehört, dann ist das eine Selbstverständlichkeit.

Mein Ziel ist auch, dass wir die Lernmittelfreiheit wieder einführen, damit keine Mutter und kein Vater in Berlin das Geld für Schulbücher zusammenkratzen muss. Letztendlich wollen wir diese Linie auch beim Schulessen fortsetzen, denn noch immer gibt es Kinder, die in Berlin daneben stehen, wenn die anderen Kinder essen. Zwar gibt es wirklich starke Härtefallhilfen für ärmere Familien - aber ich möchte mich bei der Bildung nicht auf Nothilfen verlassen. Wenn die Ganztagsschule unser Ziel ist, gehört ein warmes Mittagessen zur Bildung dazu.

SPD muss Familien entlasten

Kinder sind das größte Glück, das Eltern haben können. Ein Kinderzimmer, ein größeres Auto und Urlaube in der Ferienzeit bedeuten aber auch mehr Belastungen. Deshalb ist es aus sozialdemokratischer Sicht richtig, Familien zu entlasten. Ich glaube, dass eine gute, gebührenfreie Bildung das Markenzeichen Berlins sein kann. Denn soziale Gerechtigkeit beginnt in der Kita.

Autor*in
Raed Saleh
Raed Saleh

ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

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