Debatte

Pro Asyl: Warum die Flüchtlingspläne der EU problematisch sind

Die von der EU geplanten Hotspots oder Wartezonen für Flüchtlinge werden die Misere an den europäischen Außengrenzen nicht beenden. Laut Pro Asyl halten sie das Dubliner Übereinkommen nur künstlich am Leben.
von Karl Kopp · 18. September 2015

Tausende Flüchtlinge schleppen sich zu Fuß von Griechenland über den Westbalkan bis ins Zentrum der EU – die Bilder in der ersten Septemberhälfte 2015 räumen letzte Zweifel aus. Die tausendfache Abstimmung mit den Füßen bestätigt, was seit dem Dublin-Abkommen evident war: Schutzsuchende zwangsweise innerhalb Europas festzuhalten oder hin- und herzuschieben, ist teuer und unmenschlich. Es widerspricht den Schutzbedürfnissen der Flüchtlinge und lässt sich in einem offenen Europa – falls dies so bleibt – praktisch nicht umsetzen.

Neue Haftzentren entstehen

Nun sollen Wartezentren an Europas Grenzen und ein Notumverteilungsmechanismus Dublin ergänzen und künstlich am Leben halten. In einer Situation, wo nur noch wenige EU-Staaten nennenswert Flüchtlinge aufnehmen, stehen die Pläne der Europäischen Kommission fast als alternativlos dar. Aus Sicht von Pro Asyl sind diese Pläne realitätsfern und menschenrechtlich problematisch. Und die vorgesehenen Zahlen – die bereits beschlossenen 40 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien sowie die von Junker anvisierten zusätzlichen 120 000 Plätze – sind nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“ (SPD-Chef Sigmar Gabriel). Allein in Griechenland sind 2015 bisher über 300 000 Schutzsuchende angekommen.

Die von der EU geplanten Hotspots oder Wartezonen in Griechenland, Italien und Ungarn – bei Änderung der Fluchtrouten sicherlich auch anderswo – werden die Misere an Europas Rändern nicht beenden. Wir befürchten, dass dort neue Haftzentren entstehen, in denen Flüchtlinge auf unabsehbare Zeit festgesetzt werden.

Schnelle Abschiebung durch Frontex

Seit Jahren leben beispielsweise in Griechenland ankommende Flüchtlinge im wahrsten Sinne des Wortes im Dreck. Richtet Europa jetzt menschenwürdige Aufnahmeplätze ein? Oder werden die bereits existierenden, von der EU finanzierten 6000 Plätze aufgestockt? Zehntausende Flüchtlinge sollen mit EU-Hilfe registriert und einem Screening unterzogen werden. Ein Teil der Flüchtlinge mit guten Schutzperspektiven – aktuell wären das Schutzsuchende aus Syrien, Irak und Eritrea – soll weiterverteilt werden. Offenkundig ist, dass ein großer Teil der Flüchtlinge die Voraussetzungen erfüllen wird, aber durch die Umverteilungsquote keinen Platz bekommt. Was dann?

Und dann gibt es noch die Gruppe derjenigen, die beim Schnellprüfen als nicht-schutzwürdig ausgefiltert wird. Die soll mit Hilfe von Frontex, europäisch finanziert, schnell abgeschoben werden. So die bestechende Logik aus Brüssel. Für andere Flüchtlingsgruppen, zum Beispiel aus Afghanistan, gibt es gar nichts in der Wartezone Griechenland.

Dorthin gehen, wo Anknüpfungspunkte sind

Ein großer Teil der Flüchtlinge wird sich also weiterhin seinen Weg nach Europa bahnen müssen, auch mit Hilfe von Schleppern. Das Hotspot-Konzept entspricht also in etwa den Ideen von „Willkommenszentren in Nordafrika“ – mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie auf EU-Territorium stattfinden.

Flüchtlinge haben aber das begründete Interesse, dorthin zu gehen, wo sie Anknüpfungspunkte haben. So lebt in Deutschland mit über 200 000 Menschen europaweit die größte syrische Community. Dazu kommt, dass Deutschland zu den wirtschaftlich stärksten Staaten Europas gehört.

Pro Asyl tritt dafür ein, dass Schutzsuchenden ermöglicht wird, ihren Asylantrag im Land ihrer Wahl zu stellen. So wichtig eine solidarische Regelung auch ist, die alle Mitgliedstaaten in die Pflicht nimmt: Ungleichgewichte zwischen den EU-Staaten müssen durch Finanztransfers ausgeglichen werden.

Autor*in
Karl Kopp

ist Europareferent. Er vertritt Pro Asyl im Europäischen Flüchtlingsrat ECRE (European Council on Refugees and Exiles). Er ist verantwortlich für die Pressearbeit im europäischen Kontext sowie für die europaweite Vernetzung von Pro Asyl mit Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen.

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