„Papa, Du brauchst gar nicht mehr anzurufen“
Herr Asmussen, Sie haben zwei Töchter im Grundschulalter. Ihre Partnerin arbeitet wie Sie Vollzeit. Wie gut lassen sich Karriere und Familie wirklich miteinander vereinbaren?
Es erfordert schon einen hohen Organisationsaufwand. Und es gelingt nur, wenn man andere Sachen zurückstellt. Für meine Partnerin und mich gilt: Neben Arbeit und Kindern bleibt kaum Zeit für anderes. Wir bemühen uns, dass abends immer einer von uns beiden zuhause ist. Das kann aber bedeuten, dass wir uns die ganze Woche abends nicht sehen.
Sie hatten in Frankfurt am Main einen der wichtigsten Posten der Finanzwelt inne. Der Wechsel nach Berlin hat viele überrascht. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich bin damals von Berlin aus nach Frankfurt gependelt. Hinzu kamen die Dienstreisen, da war ich schnell mal vierzehn Tage lang nicht zuhause. Das hat mit meinen Kindern, die damals sehr viel kleiner waren, überhaupt nicht funktioniert. Auch wenn ich regelmäßig mit meinen Töchtern telefoniert habe, war ich aus den täglichen Zusammenhängen einfach raus. Im Sommer 2013 sagte dann die Kleine zu mir: „Papa, du brauchst gar nicht mehr anzurufen. Wenn du was willst, komm her.“ Das war für uns der Auslöser, dass wir uns zusammengesetzt und nach einer Lösung gesucht haben.
Wie hat sich Ihr Familienalltag durch den Umzug verändert?
Ich habe den Job bei der EZB sehr gemocht, aber das Gesamtpaket ist heute besser. Ich arbeite immer noch viel, bin aber in den täglichen Lebensabläufen mehr drin. Wenn ich nicht auf Reisen bin, verbringe ich morgens mit meinen Töchtern anderthalb Stunden und bringe sie in die Schule. Dadurch erfahre ich, was sie bewegt. Das ist ein Riesengewinn.
Im Alltag unterstützt Sie eine Kinderfrau. Wäre es ohne überhaupt möglich, Ihre Karrieren so zu verfolgen, wie Sie es vor Ihren Kindern getan haben?
Nein. Das muss man ganz klar so sagen.
Nun kann sich eine Kinderfrau nicht jeder leisten.
Deshalb müssen wir öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen weiter ausbauen, vor allem die Öffnungszeiten. Das Gleiche gilt für den Schulhort.
Sie waren nicht in Elternzeit. Die meisten Männer in Deutschland nehmen, wenn überhaupt, nur zwei Monate. Woran liegt die Zurückhaltung?
Ich muss gestehen, wir haben damals nicht darüber nachgedacht. Das mag jetzt komisch klingen. Heute sehe ich das anders. Ich glaube schon, dass die Elternzeit ein engeres Verhältnis zwischen Eltern und Kind schafft. Viele Männer fürchten aber nach wie vor einen Karriereknick. Mein Eindruck ist, dass sich das schrittweise ändert.
Sie haben unter den Bundesfinanzministern Eichel, Steinbrück und Schäuble gearbeitet. Jetzt sind Sie im Arbeitsministerium Andrea Nahles unterstellt, selbst Mutter einer kleinen Tochter. Merken Sie einen Unterschied?
Die Kinder der Minister, mit denen ich früher gearbeitet hatte, waren bereits groß. Das war kein Tagesthema mehr. Das ist jetzt anders. Dadurch, dass die Ministerin pendelt, ist sie zwar unter der Woche sehr gut verfügbar, aber es ist ihr wichtig, das Wochenende bei ihrer Tochter zu verbringen. Umgekehrt hat sie auch viel Verständnis, wenn jemand sagt: Ich mache ungern einen Termin vor acht Uhr morgens, weil ich die Kinder in die Schule bringen möchte. Insgesamt ist der Politikbetrieb aber sehr familienunfreundlich. Vieles findet einfach abends statt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel trat seinen Posten als Bundeswirtschaftsminister mit dem Vorsatz an, seine Tochter mittwochs von der Kita abholen zu wollen, und holte sich prompt eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Wie weit ist der Weg in der Politik noch bis zur Familienarbeitszeit?
Diese Aufsichtsbeschwerde ist ein Unding. Aber das ist eben der Punkt: Wir können Kulturwandel nicht per Gesetz verordnen. Wir können Gesetze machen, wir können eine Infrastruktur für Kinderbetreuung schaffen. Aber wie die Menschen dazu gedanklich stehen, das können wir nicht festlegen. Deshalb ist es gut, dass Sigmar Gabriel das vorlebt. Dass das schwierig für jemanden ist, der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister ist, ist klar. Aber allein der Versuch zeigt bereits, dass das Thema ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf‘ genau zur Hälfte ein Männerthema ist.
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.