Ohne die Wirtschaft gelingt der Klimaschutz nicht
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„Ist das Klima noch zu retten?“, so lautet die Ausgangsfrage dieser Debatte. Meine kurze Antwort lautet: Wenn wir jetzt richtig, entschieden und schnell handeln und wenn dabei Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft Hand in Hand voranschreiten, dann ist das Klima zu retten.
Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen
Deutschland muss gemeinsam mit anderen leistungsfähigen Industrienationen, also mit den G20, voranschreiten. Den Industriestaaten – immerhin für rund 74 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich – kommt bei der Transformation hin zu einer kohlendioxidarmen Wirtschaft eine besondere Verantwortung zu. Sie müssen vorangehen und andere Ländern bei der Transformation hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft unterstützen. Auch das Engagement der Unternehmen ist gefragt. Es ist für alle Seiten Zeit, diese Verantwortung im Sinne des Paris-Abkommens wahrzunehmen.
Für Deutschland bedeutet das, sich nicht mit dem Scheitern an den 2020-Zielen abzufinden. Sie sind kurzfristig nur zu erreichen, wenn wir die schmutzigsten Kohlekraftwerke abschalten. Auch mittel- und langfristig kann Klimaschutz nur ohne Stromerzeugung aus Kohle gelingen. „Die Wahrheit ist: Wir wollen die Klimaziele erreichen, und die Wahrheit ist auch, das geht einher mit dem Ende der Kohleverstromung“, sagte Parteichef Martin Schulz beim SPD-Bundesparteitag im Dezember.
Der Weg zum Kohleausstieg
Und er sagte klar und deutlich: „Aufgabe der Sozialdemokratie ist es nicht, Strukturen der Vergangenheit zu konservieren. (...) Wir müssen ein Ende damit machen, dass wir Umweltschutz gegen Industriepolitik ausspielen.“ Wie der Weg dorthin aussieht und wie ein Kohleausstieg vor dem Hintergrund von Versorgungssicherheit und Sozialverträglichkeit aussehen kann, muss umgehend auf den Tisch.
Auch die weiteren Handlungsfelder sind längst identifiziert: Umstieg auf nahezu 100 Prozent erneuerbare Energien, ehrgeizige Energieeinsparziele, Verdopplung der Ressourceneffizienz bis 2020, klimafreundliche Mobilität, Erhöhung der Gebäudesanierungsrate auf drei bis vier Prozent und ein Umlenken der Finanzanlagen in nachhaltige Investments sowie einen Abbau der Subventionierung fossiler Brennstoffe. Auch ein wirksamer CO2-Preis und eine Weiterentwicklung des Emissionshandels sind Instrumente, die zur Anwendung kommen müssen.
SPD muss Klimaschutz zu ihrem Projekt machen
Die Zielkorridore sind klar. Jetzt müssen wir schnell handeln. Denn mit jedem Jahr Verzögerung werden die Herausforderungen größer, unser Kohlenstoffbudget noch einhalten zu können. Um die Ziele zu erreichen, müssen wir wirtschaftliches Handeln und Treibhausgasemissionen voneinander entkoppeln. Diese Herausforderung bietet große Chancen für Innovationen und neue Geschäftsmodelle, die neue Produkte und Kunden erschließen. Klimaschutz ist eine wirtschaftliche Chance.
Die SPD ist gut beraten, wenn sie den Klimaschutz zu ihrem Projekt macht, zu einem Modernisierungsprojekt mit sozialer Prägung für das ganze Land. 59 Prozent der Deutschen fordern, dass die nächste Regierung den Kohleausstieg beschließt. Gerade bei jungen Wählergruppen ist dies ein wichtiges Thema. Es gehört für den angekündigten Erneuerungsprozess der Sozialdemokratie genauso auf die Agenda wie für Gespräche über eine neue große Koalition.
Modernisierungsprozess mitgestalten
Weite Teile der Wirtschaft sind bereit, den Wandel zu einer CO2-armen Wirtschaft mitzugestalten. Denn die Allianz der Unternehmen, die im Klimaschutz nicht nur eine Belastung, sondern eine wirtschaftliche Chance sehen, wird größer und größer. Die Unternehmen wollen den Modernisierungsprozess, in dem wir uns gerade befinden, mit den richtigen Geschäftsmodellen, Produkten, Fertigungsprozessen und Investitionen gestalten, vorantreiben und nutzen, statt später zum Beispiel aufgrund von regulatorischen Vorgaben in hektische Anpassung zu verfallen oder schlicht und ergreifend ein obsoletes Geschäftsmodell zu haben.
Wir müssen jedoch die gesamte Wirtschaft in die Lage versetzen, nicht Bremser beim Klimaschutz zu sein, sondern vielmehr zum Treiber des Transformationsprozesses und der Energiewende zu werden. Unternehmen dürfen für ihr Klimaschutz-Engagement nicht bestraft werden. Sie brauchen Planungssicherheit und langfristige Strategien, denn ein Investitionszyklus dauert länger als eine Legislaturperiode.
Die Rolle des Mittelstands
Politische Rahmenbedingungen und Ausnahmeregelungen müssen daher anhand ihrer Klimawirkungen immer wieder geprüft werden und Innovationen und Investitionen in nachhaltige Technologien gehören gefördert. Gerade der Mittelstand und Familienunternehmen sind der Ort, an dem viele Innovationen für nachhaltige Prozesse, Produkte und Dienstleistungen entstehen. Dies müssen wir für den Klimaschutz und die Energiewende nutzen.
Stiftung 2°
Sabine Nallinger ist Vorsitzende der „Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für den Klimaschutz“.