Debatte

Mit diesen elf Punkten werden Parteien generationengerecht

Wollen Parteien für junge Menschen attraktiv werden, müssen sie sich generationengerechter aufstellen, sagt die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG). Ihre Forderungen hat sie jetzt in einem Elf-Punkte-Plan veröffentlicht – von einer Öffnung der Parteistrukturen bis zu einer „Kultur des Scheiterns“.
von Anna Braam · 31. Mai 2017
Wer Mitglied einer Partei wird, will mitentscheiden. Gerade um junge Menschen anzuspruchen, sollten Instrumente wie Urabstimmungen deshalb ausgebaut werden, meint die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.
Wer Mitglied einer Partei wird, will mitentscheiden. Gerade um junge Menschen anzuspruchen, sollten Instrumente wie Urabstimmungen deshalb ausgebaut werden, meint die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.

Junge Menschen sind in Parteien stark unterrepräsentiert. So betrug laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2015 das Durchschnittsalter der Parteimitglieder in CDU und SPD 60 Jahre, in der CSU und in der Linken waren es 59, in der FDP 54 und in Bündnis 90/Die Grünen 50 Jahre. Tendenz steigend.

Parteien gelten als sperrig und exklusiv

Woran liegt das? Junge Menschen sind nicht etwa unpolitisch, im Gegenteil: Die heutige Generation ist politischer denn je. Aus der aktuellen Shell-Jugendstudie geht hervor, dass das politische Interesse bei Jugendlichen seit Jahren steigt – nur eben nicht ihr Interesse an Parteien. Diesen wird im Vergleich zu Gerichten und NGOs wenig Vertrauen entgegengebracht, sie gelten als sperrig und exklusiv.

Gleichzeitig sieht sich die Gesellschaft mit weitreichenden Fragen konfrontiert, vom Klimawandel über die Flüchtlingsproblematik und den demografischen Wandel bis hin zur Digitalisierung. Antworten darauf müssen von Jung und Alt gemeinsam gefunden werden. Doch wie können Parteien für junge Menschen (wieder) attraktiv werden?

11-Punkte-Plan für eine generationengerechte Partei

Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG) hat einen 11-Punkte-Plan erstellt, der dabei helfen soll, wieder mehr junge Menschen für ein Engagement in Parteien zu begeistern.

1. Alle Macht den Mitgliedern

Wer in eine Partei eintritt, möchte dort auch gehört werden. Mitglieder sollten mehr Entscheidungsmacht bekommen, damit sie die Politik ihrer Partei mit beeinflussen können – und zwar direkt, nicht erst nach langer Parteimitgliedschaft. Instrumente wie Urabstimmungen über Kandidatinnen und Kandidaten oder Positionen sollten entsprechend ausgebaut werden.

2. Zwischenstufe von Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft

Die Art und Weise, wie junge Menschen sich beteiligen wollen, hat sich gewandelt. Wie etwa die Sinus-Jugendstudie aus dem vergangenen Jahr belegt, hat sich die Bindungsdauer von Jugendlichen an soziale Gruppen stark verkürzt. Engagement findet stattdessen kurzfristig und projektbezogen statt. Parteien können dem veränderten Partizipationsstil Rechnung tragen, indem sie eine Zwischenstufe von Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft einführen. Einen ersten Schritt in diese Richtung haben SPD, CSU und Linkspartei unternommen, indem sie die Möglichkeit einer Gastmitgliedschaft anbieten.

3. Öffnung der Strukturen

Neben der Einführung einer Zwischenstufe von Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft sollte es auch für Nicht-Mitglieder die Möglichkeit geben, sich themenbezogen einbringen zu können.

4. Strukturen vereinfachen

Wo liegt noch gleich der Unterschied zwischen Ortsverein, Kreis, Mitgliederversammlung, Parteikonvent und Unterbezirk? Und wie funktioniert überhaupt ein Parteitag: Wie kann ich mich zu Wort melden, wie stelle ich einen Antrag? Die komplexen Parteistrukturen gehören auf den Prüfstand und sollten deutlich vereinfacht werden.

5. Think Tank werden

Um wieder generationengerecht zu werden, sollten Parteien sich als Think Tanks und Ideenlabore für die Regierungsarbeit verstehen. Mitglieder brauchen Raum, um neue politische Konzepte und Impulse zu entwickeln – unabhängig davon, ob dies lokal im Ortsverein oder auf Bundesebene geschieht.

6. Ortsgebundenheit auflösen

Wer in eine Partei eintritt, ist automatisch Mitglied des Ortsvereins in seiner Heimat. Die heutige junge Generation ist jedoch mobiler denn je, das Prinzip der Ortsgebundenheit ist veraltet und sollte aufgehoben werden. Damit wären Ortsvereine in einem positiven Konkurrenzkampf untereinander dazu angehalten, attraktive Angebote für Jüngere bereitzustellen.

7. Parteitage reformieren

Der Parteitag ist das höchste und wichtigste Entscheidungsgremium einer Partei. Allerdings finden Bundesparteitage nur alle zwei Jahre und unter großem zeitlichen Druck statt. Nur wer sich vorher durch die Ebenen als Delegierte oder Delegierter gearbeitet hat, ist rede- und stimmberechtigt. Neue Formate müssen her, die kurzfristige Entscheidungen ermöglichen: Urabstimmungen, Petitionen, Themenlabore.

8. Online-Mitarbeit

Nicht nur die Auflösung der Ortsgebundenheit, auch der Ausbau von Möglichkeiten der Online-Mitarbeit kann die mobile und digitale junge Generation zum Engagement in einer Partei bewegen. Wer nicht bei jedem Ortstreffen anwesend sein kann, sollte dennoch online an Abstimmungen teilnehmen können.

9. Rotation bei den Ämtern

Neue Köpfe braucht das Land! Parteiämter werden derzeit oft über Jahrzehnte behalten. Um Innovation und Nachwuchsförderung zu stärken, setzt sich die SRzG für eine Nachwuchsquote in Parteien und Parlamenten ein: Bei der Listenaufstellung der Parteien sollte jeder fünfte Kandidat jünger als 35 sein. Zu begrüßen ist die „Neuenquote“ des Grünen-Landesverbandes in Berlin. Diese regelt, dass mindestens jeder dritte Listenplatz bei einer Abgeordnetenhauswahl an eine Bewerberin oder einen Bewerber geht, der noch nie einem Parlament angehört hat.

10. Finanzielle Unterstützung von Kandidatinnen und Kandidaten

Wer für eine Partei bei einer Bundes-, Landtags- oder Kreiswahl kandidiert, muss für den eigenen Wahlkampf privates Geld an die Partei zahlen. Zur Unterstützung junger Kandidierender wären ein Fonds oder Crowdfunding-Plattformen hilfreich.

11. Kultur des Scheiterns

Wer in Parteien für eine Position zur Wahl antritt und nicht gewählt wird, dem haftet schnell ein Makel der Niederlage an. Gerade junge Mitglieder werden dadurch abgeschreckt, sich zur Wahl stellen zu lassen. Es bedarf einer Kultur des Scheiterns in allen Parteien – schließlich gehören Wahlniederlagen ebenso wie Wahlsiege zur Demokratie dazu.

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Anna Braam

ist Vorstandsmitglied und Pressesprecherin der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen , UN-Jugenddelegierte und Mitglied im Jugendbündnis Zukunftsenergie

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