Marco Bülow: Wie weniger Ungleichheit mehr Wohlstand schafft
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Ausgerechnet in Deutschland ist die Ungleichheit besonders groß. Während zehnt Prozent der Haushalte über 60 Prozent des Vermögens besitzen, kommt die untere Hälfte gerade mal auf ein bis drei Prozent. Die Mittelschicht schmilzt und das Versprechen, durch Fleiß und Bildung zu Wohlstand zu gelangen, bröckelt. Immer mehr Menschen spüren, dass diese Entwicklung den Wohlstand insgesamt gefährdet. Gerechtigkeit wird wieder zum Thema. Besonders die SPD ist aufgerufen, dazu richtungsweisende Antworten zu formulieren. Allerdings haben wir aber gerade bei diesem Thema an Glaubwürdigkeit verloren. Dies müssen wir dringend ändern.
Wenn die Rente nicht zum Leben reicht
Die Hauptbetroffenen von Armut sind Alleinerziehende, Erwerbslose und immer mehr Rentner. Daran sollte man ansetzen. Ab 2030 wird zum Beispiel jeder Zweite, der in Deutschland aus dem Job ausscheidet, von seiner Rente nicht mehr leben können, obwohl er über 40 Jahre dafür gearbeitet hat. Im Ruhrgebiet und einigen anderen Regionen dürfte dies schon 2020 der Fall sein. Insgesamt ist das Rentenniveau immer weiter gesunken, obwohl es notwendig wäre, dass es wieder deutlich ansteigt. Betroffen sind vor allem die nicht so Wohlhabenden, die erst ihren Lohn und dann auch noch ihre Renten besteuern müssen.
Zudem haben sich auch die Sozialbeiträge erhöht und liegen jetzt wieder oberhalb von 40 Prozent. Diese Entwicklung wird die Ungleichheit weiter vergrößern. Da müssen wir dringend gegensteuern. Wenn man auf der anderen Seite die „Milliardenerben“ sieht, die für ein Leben in Saus und Braus nicht einen Handschlag zu tun bräuchten, ist diese ungerechte Lastenverteilung schon eine der größten Ungerechtigkeiten überhaupt.
Vermögens-und Reichtumssteuer bleiben unverzichtbar
Die Reform der Erbschaftssteuer wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die Ungleichheit zu mildern. Diese Chance wurde leider nicht genutzt. Trotzdem gibt es weitere Möglichkeiten und Ansätze. Nur darüber zu reden, reicht aber nicht. Wir müssen jetzt anfangen, auch in der Großen Koalition unsere Positionen deutlich zu machen. Wir müssen aufzeigen, was sich ändern muss, auch wenn wir nicht alles sofort durchsetzen können. Vermögens-, Reichtumssteuer und andere klassische Forderungen bleiben unverzichtbar.
Aber es ist nicht nur die Notwendigkeit, die Steuern fairer zu gestalten. Ein Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen könnte ebenso wie eine Reduzierung des unglaublich stark angewachsenen Wehretats von über 34 Milliarden Euro und anderer Haushaltsposten viele notwendige Gelder freischaufeln.
An sozialdemokratische Grundideen anknüpfen!
Viele weitere Maßnahmen, wie mehr sozialer Wohnungsbau, Investitionspakte und die Einführung des sozialen Arbeitsmarkes in strukturschwachen Regionen, die Ausweitung der Schulsozialarbeit, mehr Unterstützung für Alleinerziehende würden ebenfalls die Ungleichheit mindern und damit den Wohlstand insgesamt stärken. Mit einem höheren Mindestlohn und Lohnsteigerungen im Bereich der öffentlichen Beschäftigung würden wir auch den Anreiz setzen, dass die Löhne insgesamt steigen und dann übrigens auch mehr Steuern sprudeln würden.
Wir könnten nahtlos an die sozialdemokratische Grundidee anknüpfen, die wir aber lange vernachlässigt haben. Wer glaubt denn wirklich noch, dass unsere Marktwirtschaft noch sozial ist und dass alle vom Wachstum profitieren? Um die Ungleichheit zu minimieren, ist der Mut erforderlich, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Das wird es nicht kostenlos geben und wir müssen sagen, woher wir das Geld nehmen wollen. So oder so, man muss sich mit einflussreichen Vermögenden anlegen, sich unbeliebt machen. Aber ganz ehrlich, wenn wir es nicht tun, werden wir die Ungleichheit nicht bekämpfen können. Dann werden wir über Beliebtheit auch nicht mehr reden müssen.
Marco Bülow ist seit 2002 SPD-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Dortmund I und darüber hinaus stellvertretender energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.