Debatte

Kohleausstieg: Wer einen sozial gerechten Strukturwandel will, muss investieren

DGB-Vorstand Stefan Körzell war Mitglied der Kohlekommission. Er lobt den vorgelegten Kompromiss für den Kohleausstieg und fordert Investitionen, um einen sozial gerechten Strukturwandel zu gestalten. Das Ziel seien neue hochwertige Beschäftigung und qualitatives Wachstum.
von Stefan Körzell · 13. Februar 2019
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell fordert Investitionen, um den Strukturwandel sozial gerecht zu gestalten.
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell fordert Investitionen, um den Strukturwandel sozial gerecht zu gestalten.

Ein historischer Kraftakt – anders lässt sich die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, kurz auch Kohlekommission, nicht nennen. Nach monatelangem Ringen in großen und kleinen Runden und einer 21-stündigen Marathonsitzung ist gelungen, was bis zuletzt alles andere als selbstverständlich war: Die Kommission hat zu einer gemeinsamen Empfehlung für den Ausstieg aus der Kohleverstromung gefunden. Und das, obwohl die Verhandlungen immer wieder begleitet waren vom Störfeuer durchgestochener Informationen. Die Kommission hat die Grundlage geschaffen für einen Kompromiss im Konflikt um die Frage, wie der Umbau unserer Energieversorgung auf dem Weg in eine nahezu treibhausgasneutrale Zukunft gelingen kann. Eine Frage, in der es viele unterschiedliche Interessen gibt. Es ist ein guter Kompromiss. Das zeigt sich daran, dass alle am Verhandlungstisch Federn lassen mussten. Jetzt steht ein Ergebnis, aus dem man etwas machen kann.

Neue Chancen durch Strukturwandel

Die Gewerkschaften haben sich mit aller Kraft für einen sozial gerechten Strukturwandel eingesetzt. Der Kommissionsbericht steht als Ergebnis somit exemplarisch für „Just Transition“. Just Transition wird von vielen gesellschaftlichen und politischen Akteuren so verstanden, dass soziale Härten beim Klimaschutz abgefedert werden. Aber Just Transition ist viel mehr: Im Mittelpunkt einer gerechten Strukturentwicklung muss die Frage stehen, wie bei der Dekarbonisierung Chancen für neue hochwertige Beschäftigung und qualitatives Wachstum genutzt werden können. Die Kommission hatte den Auftrag, einen solchen Fahrplan aufzuzeigen.

Nicht verhandelbar war und ist für die Gewerkschaften ein engmaschiges Sicherheitsnetz für die Beschäftigten in den Kraftwerken und Tagebauen. „Niemand darf ins Bergfreie fallen!“ ist unser Leitgedanke. Das Ergebnis: Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Es gibt ein staatliches Anpassungsgeld, mit dem Jahre bis zum vorzeitigen Renteneintritt überbrückt werden können. Wenn jemand seine Arbeit verliert, wird er oder sie in neue gute Arbeit vermittelt und Gehaltsverluste werden ausgeglichen. Zentral sind aber auch die im Abschlussbericht festgehaltenen Investitionen und Strukturhilfen. Damit sollen in den betroffenen Regionen neue Arbeitsplätze, neue Industrien, Technologie- und Forschungscluster und eine moderne Infrastruktur entstehen können. Auch sollen Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen angesiedelt werden.

Investitionen in erneuerbare Energien

Wir werden ein Auge darauf haben, dass die von der Kommission vorgeschlagenen 40 Milliarden Euro nicht in Gewerbegebieten ohne Straßenanschluss verpuffen – bei der Entscheidung, welche Mittel wofür investiert werden, sollen die Sozialpartner einbezogen werden. Wir reden hier über Energieregionen, in denen gut ausgebildete Fachkräfte arbeiten. In der Bevölkerung gibt eine hohe Industrieakzeptanz. Diese Stärken muss man nutzen. Uns kommt es deshalb darauf an, dass gezielt in neue industrielle Wertschöpfung investiert wird – zum Beispiel im Bereich innovativer Speicher- und Mobilitätstechnologien, in Wind- und Solaranlagen, Gaskraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplung. Der Abschlussbericht zeichnet einen genauen Plan für die Strukturförderung und enthält ganz konkrete Investitionsfelder und Projektvorschläge.

Nicht zuletzt hat sich die Kommission darauf geeinigt, dass nur abgeschaltet wird, wenn der Strukturwandel erfolgreich voranschreitet und die vereinbarten Voraussetzungen erfüllt werden. Dafür gibt es ein regelmäßiges Monitoring. Entscheidend ist etwa der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien und Stromnetze. Zudem muss die Strukturentwicklung in den Regionen zu neuen Arbeitsplätzen führen und die Strompreise dürfen nicht aus dem Ruder laufen.

Unterstützung für Ostdeutschland und rheinische Reviere

Jeder Kompromiss hat auch Kritiker: zu teuer, zu wenig effektiv beim Klimaschutz, die Konzerne lassen sich das Abschalten vergolden – um nur einige Anwürfe zu nennen. Dabei ist vollkommen klar: Wenn wir schneller aus der Kohleverstromung aussteigen wollen, müssen wir das Geld für die notwenigen Investitionen in die Hand nehmen. Es ist nur gerecht, wenn alle Beteiligten die Kosten für den Strukturwandel gemeinsam tragen, statt die Betroffenen mit unsicheren Zukunftsaussichten alleine zu lassen. Denn der Strukturwandel ist politisch gewollt, um die Verpflichtungen beim Klimaschutz zu erfüllen, die Deutschland mit dem Klimaabkommen von Paris eingegangen ist. Aus diesem Abkommen leitet sich die Verpflichtung ab, den Wandel in den betroffenen Regionen gerecht zu gestalten. Gerade den Menschen im Osten Deutschlands, die einen großen Strukturbruch nach der Wende mitgemacht haben, sind wir das schuldig. Dasselbe gilt für die Beschäftigten im rheinischen Revieren und an den vielen Kraftwerksstandorten. 

Manche haben entgegnet, die Kommission sei undemokratisch, weil ihre Vertreter nicht gewählt worden sind. Aber es waren gewählte Bundesregierungen, die Ziele gesetzt haben, ohne diese mit ausreichend konkreten Maßnahmen zu unterfüttern. Aufgabe dieser Kommission war es, dafür Empfehlungen auszusprechen, wo die Politik bislang keine Entscheidungen zu treffen imstande gewesen ist. Nun liegt ein Gesamtpaket auf dem Tisch, das zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen austariert worden ist. Der Ball liegt im Feld von Bundesregierung und Parlament, für die notwendige Umsetzung zu sorgen. Wir werden diese Umsetzung eng begleiten und dafür werben, dass das Gesamtpaket auch als Ganzes umgesetzt wird. Dafür lohnt es sich zu streiten!

Autor*in
Stefan Körzell
Stefan Körzell

ist seit 2014 Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes.

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