Debatte

Klimawandel ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit

Nie war der CO2-Ausstoß so hoch wie heute. Die dadurch ausgelöste Erderwärmung kann massive Folgen haben, wenn die Wirtschaftsmächte nicht endlich reagieren, warnt der Klimaforscher Hermann Lotze-Campen. Diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben, werden am stärksten betroffen sein: die Armen und künftige Generationen.
von Hermann Lotze-Campen · 12. Dezember 2014
Teile von Afrika spüren den Klimawandel bereits heute: Weite Gebiete kämpfen mit längeren Trockenphasen und sauberes Trinkwasser wird zur Mangelware.
Teile von Afrika spüren den Klimawandel bereits heute: Weite Gebiete kämpfen mit längeren Trockenphasen und sauberes Trinkwasser wird zur Mangelware.

Das ewige Eis auf den Gipfeln der Anden – es schmilzt. Ein Naturschauspiel, in Zeitlupe. Was aber oben im Gebirge geschieht, hat Folgen für die Menschen unten im Tal. Folgen, die größer sind als gedacht. Das Wasser kann knapp werden im Sommer, weil weniger Gletschermasse auch weniger Schmelzwasser entstehen lässt, das die hinabrauschenden Bäche und Flüsse speist. Das ist die Wirklichkeit im Andenstaat Peru, in dem sich jetzt die Vertreter von mehr als 190 Staaten bei der Weltklimakonferenz die Köpfe heiß geredet haben. Aber dabei bleibt es nicht.

Der Klimawandel, ausgelöst durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas und den hierbei freiwerdenden Treibhausgasen, taut nicht nur das Eis und stört damit die über Jahrtausende eingespielten Wasserkreisläufe. Er trifft die Menschen in Südamerika an den Hängen der Anden gleich mehrfach. Extremwetter nimmt zu, mit Sturzregen und daraus folgenden Überschwemmungen oder gar Erdrutschen. Nahrungsmittel werden künftig teurer, weil es absehbar mehr Missernten gibt. An den Küsten kann es mehr Sturmfluten geben durch Hurrikane. Wo sich aus einer Klimawandelfolge eine andere ergibt, etwa aus Wasserknappheit Missernten, oder wo verschiedene Folgen einfach zeitgleich eintreffen, wachsen die Risiken – teils ins Untragbare.

Entwicklungsländer am stärksten betroffen

Eine Last türmt sich hier auf die andere – und das vor allem auf den Schultern der Armen. Sie sind es, die Wasserknappheit oder Unwettern oder Preissteigerungen am stärksten ausgesetzt sind, und das sowohl global als auch lokal: Die Entwicklungsländer in den Tropen sind den Folgen des Klimawandels am stärksten ausgesetzt und haben zugleich die geringsten Mittel, um sich anzupassen. Innerhalb dieser Länder sind es natürlich wieder die Ärmsten, die am stärksten betroffen sind.

Gerechtigkeit ist es also, um die es beim Klimawandel auch geht. Südamerika hat seit Beginn der Industrialisierung nur einen Bruchteil zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen beigetragen, ähnlich ist es bei Afrika. Ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten zur weltweiten Erwärmung beigetragen haben und die am wenigsten profitiert haben von der Ausbeutung der fossilen Ressourcen, werden nun am stärksten davon getroffen.

Missbrauch der Atmosphäre als Abgasdeponie

Hinzu kommt die Generationen-Gerechtigkeit. Die Atmosphäre missbrauchen wir als kostenlose Abfalldeponie. Wir, die wir doch behaupten, für unsere Kinder nur das Beste zu wollen, hinterlassen unseren Nachkommen eine CO2-Hypothek, die sich erst über Jahrhunderte abbaut. Die Folgen werden noch länger zu spüren sein. Weil zum Beispiel die Ozeane mit ihren ungeheuren Wassermassen nur träge reagieren, steigt der Meeresspiegel noch über viele Generationen – langsam, aber unerbittlich, selbst wenn die Erwärmung sofort gestoppt würde.

Denn bereits jetzt haben wir unseren Planeten um knapp ein Grad erwärmt. Und zwei Grad werden es auch dann noch, wenn die Verhandlungsführer von Lima sich auf dem Weg zum Gipfel von Paris 2015 auf ein Klima-Abkommen einigen. Ohne wirksame Klimapolitik aber steuern wir auf vier Grad und mehr am Ende dieses Jahrhunderts zu.

CO2-Ausstoß so hoch wie nie

Nun klingt das wenig: ein Grad, zwei Grad, vier Grad. Da ist der Unterschied zwischen der Temperatur in Freiburg und in Kiel an ein und demselben Tag größer. Und die CO2-Menge wird sogar nur in Molekülen pro eine Million Teilchen in der Atmosphäre gemessen, ppm heißt das in der Wissenschaft. Bei rund 400 ppm sind wir heute. Nur: Noch nie seit Beginn der Messungen war dieser Wert so hoch. Und noch nie in der Geschichte der menschlichen Zivilisation hat sich das Klima so rasch so stark erwärmt, wie etwa Bohrkerne aus dem Eis der Antarktis belegen. Die Erdgeschichte zeigt, dass vergleichsweise kleine Veränderungen große Folgen haben können. Auch der Unterschied zwischen Eiszeit und Warmzeit betrug nur wenige Grad. Kommt jetzt die Heißzeit?

Weit weg wirkt das alles. Kommende Generationen sind betroffen oder ferne Länder. Bloß: Wir hier und heute sind es, deren Handeln über die Zukunft entscheidet, und über die Menschen in anderen Kontinenten. Wenn die großen Wirtschaftsmächte, die zugleich die größten Verursacher sind, nicht innerhalb von fünfzehn Jahren beim Ausstoß von Treibhausgasen die Trendwende schaffen, wird das international vereinbarte Ziel von höchstens zwei Grad Erwärmung kaum mehr zu halten sein. Je länger wir warten, desto teurer wird es, das zeigt die Forschung sehr klar. Die Klimaschäden nehmen zu, aber auch die Vermeidungskosten.

Gefahren für Deutschland

Und auch in Deutschland findet der Klimawandel statt – bereits heute. Daten von Versicherern zeigen, dass die Schäden durch Extremwetter bei uns steigen, etwa durch Starkregen. Bisherige „Jahrhunderthochwasser“ im Frühjahr treten an der Elbe inzwischen mehrmals im Jahrzehnt auf. Sommerliches Niedrigwasser in Flüssen gefährdet die Kühlwasserversorgung von Kraftwerken. Hitzewellen lassen die Waldbrandgefahr steigen und sind vor allem für besonders junge und besonders alte Menschen in Städten eine Gesundheitsgefahr.

Nun droht dies nicht überall und gleichzeitig. Klimafolgen treten unterschiedlich von Ort zu Ort, von Jahr zu Jahr auf. Und die Wissenschaft kann bislang nicht sagen, wann genau und wo genau in welchem Ausmaß welche Klimafolge eintritt. Zum Beispiel in der Landwirtschaft ist das schwierig, weil vieles zusammenkommt: das langfristige Klima, das kurzfristige lokale Wetter, der Boden, die Pflanzenart, die Anbaumethode. Hieran forschen wir weiter.

Aber klar ist schon heute, dass ungebremster Klimawandel massive Folgen haben kann – und dass diese erhebliche Risiken für viele Menschen mit sich bringen. Nicht nur in den Anden. Aber es gibt eine gute Nachricht: Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht, also kann der Mensch ihn auch stoppen. Wenn er es denn wirklich will.

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Der Klimaexperte Hermann Lotze-Campen
Hermann Lotze-Campen

ist Professor der Humboldt-Universität zu Berlin, leitet als Agrarökonom den Forschungsbereich Klimawirkung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und ist parteilos.

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