Gender Pay Gap: Wo Ungerechtigkeit besonders schmerzt
Vor kurzem war ich im Bundeswirtschaftsministerium beim Hofgespräch zum Thema „Starke Frauen, starke Wirtschaft“, welches Ministerin Brigitte Zypries ins Leben gerufen hatte. Unternehmerinnen aus Startups sowie dem Mittelstand, Selbstständige, Frauen in Führungspositionen und Aufsteigerinnen kamen zusammen, um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen, aber auch über die Herausforderungen zu sprechen, die ihnen im Berufsleben aufgefallen waren – und mit ihrem Geschlecht zu tun hatten.
Das Problem sind nicht die 21% bundesweite Lohnungleichheit
Die Unternehmerinnen besprachen die klassischen Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch die Lohngerechtigkeit und hatten dabei einen besonders realistischen Blick auf die professionelle Weiterentwicklung – „man muss die Karriere auch wirklich wollen“, erklärte mir eine Führungskraft. Sie erzählte mir davon, dass der Aufstieg natürlich auch mit Kompromissen und Einschnitten verbunden sei – Überstunden, Netzwerkpflege und Risikobereitschaft seien in nahezu jeder Branche wichtig, manchmal sogar wichtiger als die Leistung.
Dass sich der durchschnittliche Gender-Pay-Gap bundesweit auf 21 Prozent beläuft, wussten die meisten Frauen. Dass die klaffende Lücke einerseits mit einer Reihe von freiwilligen oder unfreiwilligen Entscheidungen zusammenhängt - Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit, steigen gar mehrere Jahre für die Betreuung von Kindern oder Eltern aus der Beschäftigung aus und sie wählen öfter Berufe und Branchen, die schlechter vergütet sind - war ebenfalls bekannt. Die Gründe dafür sind komplex genug – vielschichtige Debatten darüber, wer Verantwortung in Familien übernimmt oder weshalb gerade die essenziellen Berufe in der Pflege und Erziehung so niedrig entlohnt werden, füllten in den vergangenen Jahren private und öffentliche Diskussionen.
Das letzte Quäntchen Umdenken?
Andererseits fiel den Unternehmerinnen ein Detail des Gender-Pay-Gap besonders auf: selbst wenn Frauen genauso gut qualifiziert sind wie Männer und dieselbe Stundenzahl abarbeiten, klafft noch eine Lücke von sieben Prozent - pro Lohnstunde! Das mag vielleicht nahezu nichtig klingen, macht aber einen großen Unterschied im Laufe einer Erwerbskarriere von knapp 40 Jahren und mehr – diese sieben Prozent läppern sich und übersteigen sechsstellige Summen, die nicht nur direkt auf dem Konto fehlen, sondern auch in den Sozial- und Rentenkassen. Selbst gut qualifizierte Frauen haben theoretisch ein höheres Risiko von Altersarmut betroffen zu sein.
Wenn selbst Leistung und Ausbildung nicht ausreichen, dann liegt der Schlüssel zur gerechten Entlohnung möglicherweise im Umdenken. Es gibt einerseits genug Studien, die aussagen, dass Frauen im Berufsleben eher unterschätzt werden – an dieser Stelle sind Arbeitgeber verantwortlich. Andererseits trauen sich auch Frauen bis heute weniger zu als Männer, sie sind realistischer und nicht überschwänglich in Einstiegs- und Gehaltsverhandlungen. Die Furcht davor, abstoßend und zu fordernd zu wirken, hemmt offenbar davor, mehr Gehalt einzufordern. Beide Punkte haben etwas damit zu tun, wie Frauen in der Gesellschaft bis heute mehrheitlich wahrgenommen werden – als zarte und emotionale Gestalten.
Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Doch selbst wenn diese Muster durchbrochen werden würden, ist der Weg zur Gleichberechtigung bei der Entlohnung lange nicht geebnet. Vielleicht haben hochqualifizierte Frauen – wenn sie es denn wollen – eine größere Chance darauf, das einzufordern, was ihnen zusteht. Komplizierter wird es jedoch, wenn man den Elfenbeinturm verlässt und auf die realen Probleme jener Frauen stößt, die mit Kinderbetreuung, Weiterbildung oder Pflege mehrfach belastet sind.
ist Autorin und Beraterin zum Thema "Zukunft der Arbeit". Sie beobachtet die Berliner Politikwelt und stellt sich der Debatte, gerne auch digital auf Twitter @alicegreschkow