Debatte

FSJ in der Pflege: „Ich werde noch lange davon profitieren“

Izabela Styrnal absolviert ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ in der Pflege. Auf ihrer Station werden Menschen geboren, andere hingegen sterben. Izabela hat uns mit an ihren Arbeitsplatz genommen und berichtet von ihrem Alltag als Freiwilligendienstleistende.
von Angelina Sortino · 30. August 2018
Izabela Styrna schiebt ein Kinderbett durch den Flur der Klinik
Izabela Styrna schiebt ein Kinderbett durch den Flur der Klinik

Die Gänge sind hell, an den Wänden hängen Babyfotos und pinke Luftballons, man hört Frauenstimmen und aus einem Zimmer das Weinen eines Babys. Hier auf der Geburtshilfe-, Mutter-Kind- und der Gynäkologie-Station des Vivantes Humboldt-Klinikums in Berlin absolviert Izabela Styrnal ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Für die junge Frau hat ihre Schicht heute schon um 06:00 Uhr morgens begonnen. Dennoch trägt Izabela neben ihrer weißen Arbeitskleidung und einer schwarzen Brille auch ein Lächeln ihrem Gesicht.

Medizinisches Wissen erweitern

Damit sie pünktlich zu Beginn der Frühschicht auf ihrer Station im Berliner Humboldt-Klinikum in Tegel ist, muss sie ihre Wohnung in einem anderen Stadtteil Berlins schon um 04: 30 Uhr verlassen. „Es wäre schön, wenn man schon ein bisschen vor 06:00 Uhr da wäre. Dann kann die Übergabe früher beginnen und die Nachtschicht eher nach Hause gehen. Das ist aber nicht immer möglich.“ 

Um 07:00 Uhr beginnt auf der Mutter-Kind-Station die Morgenrunde. Der Kinderarzt untersucht alle Neugeborenen. Izabela assistiert ihm beim Wiegen und bei der Nabelsäuberung. Durch ihre Assistenz bei Untersuchungen und kleineren Eingriffen hat Izabela viel gelernt. „Mein medizinisches Fachwissen hat sich in dem Jahr auf der Station sehr erweitert. Ich durfte viele Erfahrungen machen, weil sich die Schwestern und Ärzte die Zeit genommen haben, mir Untersuchungen und Eingriffe zu erklären.“ Die FSJlerin weiß das sehr zu schätzen, da sie von anderen Dienstleistenden erfahren hat, dass nicht jeder so gut eingebunden wird. Sie berichtet: „Es gibt natürlich auch Schwestern, Pfleger und Ärzte mit denen man nicht gut klarkommt und eher ungern arbeitet.“

Arbeit ist körperliche Belastung

Neben der Assistenz bei den Visiten hat Izabela noch eine Vielzahl anderer Aufgaben, die täglich zu erledigen sind. Auf der Wochenbettstation fällt sehr viel Wäsche an. Izabela leert täglich die Wäschesäcke und füllt die Schränke in den Zimmern wieder auf. Außerdem desinfiziert sie Vasen, Kühlpacks, Kinderbetten und Kinderwagen. „Keime können bei Babys schnell eine Infektion auslösen“, weiß die FSJlerin.

Für ihren Job muss Izabela körperlich fit sein. „Heute ist es ruhig. Ich hoffe es bleibt so.“ Sie klopft auf einen Holztisch. „An vielen Tagen ist man nur am Rennen. Da läuft man von einem Zimmer ins andere.“ Die Arbeit auf einer Wochenbettstation würde häufig unterschätzt. „Wir haben ja immer gleich zwei Patienten. Die Mutter und das Kind“, erklärt sie.

Auseinandersetzung mit dem Tod

Die zweite Station, die Izabela betreut, ist die Gynäkologie. Izabela berichtet: „Hier werden immer zwei Schwestern eingesetzt, weil die Patientinnen mehr Pflege benötigen.“  Es würden vor allem Frauen behandelt, die an Krebs erkrankt sind oder gerade operiert wurden. „Durch die Aufteilung der Station erhalte ich sehr unterschiedliche Eindrücke. Ein Teil der Patientinnen ist voller Freude, weil sie gerade ein Baby zur Welt gebracht haben, die anderen sind älter oder schwer krank und dadurch mit dem Tod konfrontiert.“

Der Kontakt mit dem Tod erfordert von den Freiwilligendienstleistenden in der Pflege ein hohes Maß an Belastbarkeit. Sie müssen lernen, eine professionelle Distanz zu den Patienten zu wahren. „Ich habe mich auch mit Fehlgeburten, Tod und anderen schweren Situationen auseinandersetzen müssen. Da ist es sehr gut, wenn man einen Ansprechpartner auf der Station hat, zu dem man gehen kann, wenn es einem doch mal zu viel wird.“ 

Keine dauerhafte Erfüllung

Auf den Seminaren der Arbeiterwohlfahrt Berlin, die die Freiwilligen während ihres Einsatzes besuchen, hat Izabela auch einen Kurs zum Thema Sterbebegleitung belegen können. Sie ist begeistert von den Angeboten und der recht freien Themenauswahl. „Wir haben in den Seminaren auch einen Erste-Hilfe-Kurs und einen Workshop zum Thema Konfliktlösung absolviert. Von beiden werde ich noch lange profitieren.“

Neben medizinischem Fachwissen und der Fähigkeit, mit dem Tod umzugehen, hat Izabela eine weitere für sie wichtige Erkenntnis aus dem Jahr in der Klinik mitnehmen können. Sie hat herausgefunden, wie ihre berufliche Zukunft aussehen soll. „Ursprünglich wollte ich eine Ausbildung zur Hebamme machen“, berichtet die FSJlerin. Zwei Tage hat Izabela deshalb Hebammen im Kreissaal begleitet. „Ich weiß jetzt, dass der Beruf total faszinierend ist, aber ich glaube ein anderer Weg wird mich mehr erfüllen. Die Zeit, die Hebammen im Krankenhaus mit ihren Patienten verbringen, ist sehr kurz. Zu kurz für Izabela. Dennoch schließt sie den Beruf nicht völlig für sich aus. „Wer weiß, vielleicht entscheide ich mich in ein paar Jahren doch die Ausbildung zu machen.“

Berufliche Ziele festlegen

Durch den Kontakt mit den Sozialarbeitern in der Klinik und den pädagogischen Beratern auf den Seminaren ist Izabela zu dem Schluss gekommen, dass sie „Soziale Arbeit“ studieren möchte. Beworben hatte sie sich aber auch noch auf zwei andere Studiengänge, Patholinguistik und Rehabilitationspädagogik. „Durch mein FSJ in der Pflege habe ich für alle drei eine Zusage erhalten“, freut sie sich.

 

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Angelina Sortino

studiert Communication, Culture and Management und ist Praktikantin beim „vorwärts“.

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