Debatte

Die Zeit ist reif für mehr Pop in der Kulturpolitik

Popkultur – eigentlich steckt die Kultur schon im Namen. Doch der Pop hat immer noch einen schweren Stand in der deutschen Kulturlandschaft. Es ist Zeit, Pop als politische Äußerung und Kulturgut anzuerkennen und zu fördern, statt Gräben zwischen Oper und Diskothek herbeizureden.
von Katja Lucker · 2. März 2015
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Am letzten Wochenende im Februar waren wir als Vertreterinnen des Musicboards Berlin als Referentinnen des 60. Loccumer Kulturpolitischen Kolloquiums eingeladen. Das Thema: Kulturpolitik für die Popkultur. Die Popkultur scheint in der Kulturpolitik sich konsolidierender Kommunen einen besonders schweren Stand zu haben.

Loccum war sinnbildlich hierfür: Lange war das Musicboard gar nicht eingeladen. Selbst jetzt waren wir wenige. Neben uns waren nur eine Handvoll von Beauftragen oder Angestellten mit Aufgabengebiet Popkultur da, zwei Unternehmer der Musikwirtschaft, kein einziger Popkulturschaffender. Dafür ungefähr 60 Kulturpolitiker mit selbigem Altersdurchschnitt, hauptsächlich Männer. Die Diskussion drehte sich um Oper versus Diskothek, Kultur versus Kommerz, Kulturpolitik versus Wirtschaftspolitik. Immerhin war ein allgemeines Seufzen zu vernehmen, als ein Kieler Kollege fragte, warum Popkultur mit Steuergeldern finanziert werden müsse, obwohl Popstars viel Geld verdienten.

Pop als Kultur anerkennen, nicht als Kommerz abtun

Die Debatten, die in der Breite zur Bedeutung von Pop in der Kulturpolitik geführt werden, sind größtenteils überholt. Es geht nicht darum, Opern oder Theatern Mittel zu streichen, um Popkultur zu finanzieren. Es geht darum, Pop von Musik über Graphic Novels bis hin zu Computerspielen als Kultur und damit als gesellschaftspolitisch bedeutend anzuerkennen. Dazu müssen wir popkulturelle Vielfalt ermöglichen, Nachwuchs fördern und Pop nicht als kommerzielles Produkt abtun.

Lady Gaga oder die britische Rapperin Kate Tempest schaffen es bisweilen besser als die Politik, gesellschaftlichen Problemen Relevanz beizumessen und zu jungen Menschen durchzudringen. Sie behandeln Magersucht oder Billigproduktion à la Primark und das sollten wir wertschätzen.

Popkulturförderung öffnen: Musicboard Berlin

Aber wie? Indem wir die Rahmenbedingungen der Kulturpolitik und der Kulturförderung für die Popkultur offener gestalten. Das bedeutet zuallererst Vertrauen in die Kreativen und ihr Umfeld haben. Förderregularien wie Fehlbedarfsfinanzierung, das Besserstellungsverbot gegenüber Verwaltungsangestellten oder die Bindung an das Haushaltsjahr schrecken umtriebige, innovative und professionelle Kreative ab, öffentliche Förderung zu beantragen. Ganz besonders wenn sich die Haushaltsordnung mit den Kulturförderplänen und Formularen der Fördergeber potenziert.

Das Musicboard Berlin hat sich von Beginn an anders aufgestellt: Es gibt lediglich drei übergeordnete Ziele – Nachwuchs fördern, Infrastruktur verbessern, Berlin als Standort für Popkultur stärken. Das Musicboard ist eine landeseigene GmbH und mit 2,4 Millionen Euro ausgestattet – einzigartig in Deutschland. Wir haben offene Programme ohne absurde Bedingungen und erstmals Stipendien für Popmusikerinnen und -musiker. Wir beraten unkompliziert und sind gut vernetzt. Ein Erfolgsmodell.

Großer Reformbedarf: vom Urheberrecht bis zur Umsatzsteuer

Aber das reicht nicht. Weitaus problematischer wird es, wenn wir uns ansehen, womit sich Kreativschaffende täglich auseinandersetzen müssen. An diese Rahmenbedingungen muss die Kulturpolitik ran, gemeinsam mit den Haushalts- und Wirtschaftspolitikern:

  • Urheberrecht: Es ist überflüssig, zu erläutern, warum das Urheberrecht reformiert werden muss. Die SPD arbeitet daran. Dabei muss auch hinterfragt werden, ob die Mechanismen und die Organisation der GEMA noch zeitgemäß sind. Dass bei 21 Mitgliedern im Aufsichtsrat nur eine Frau und zwei Personen unter 50 Jahren vertreten sind, ist ein Sinnbild für die Reformbedürftigkeit der GEMA. Das erfordert Mut. Unbenommen bleibt dabei die Richtigkeit ihres Auftrages.
  • Räume: Popkultur braucht Räume – Proberäume, Ateliers, Studios, Bühnen. Je nach Branche mit bestimmten Anforderungen, von Lärmschutz bis zu digitaler Infrastruktur. Die Sicherung von Räumen und Flächen für Kultur und Kreativwirtschaft muss den gleichen Stellenwert auf den politischen Tagesordnungen einnehmen wie Museumsbauten und Opernsanierung.
  • Umsatzsteuer: Für viele Kreative ist völlig unklar, ob und wieviel Umsatzsteuer zu berechnen oder abzuführen ist. Ist ein Musiker auch Unternehmer? Reicht die Definition von Konzerten gemäß Bundesfinanzhof, um Clubkonzerte zu erfassen? Diese Unklarheiten verunsichern oder bedeuten im Falle von mehrjährigen Rückzahlungen die Insolvenz kleiner und mittlerer Unternehmen. Hier muss Klarheit geschaffen werden, indem Kreativität auch als Kulturwirtschaft verstanden wird.
  • Finanzierung: Nicht nur die Fördermechanismen sind veraltet. Auch Finanzierungsmechanismen der Investitionsbanken greifen in vielen Fällen nicht, wenn es beispielsweise um das Einbringen von Sicherheiten bei Krediten geht. Reformgespräche müssen von der Kulturpolitik eingefordert und koordiniert werden, um europaweit Lösungsansätze zu finden.

In Berlin ist die Bedeutung der Popkultur enorm, sie wird anerkannt und unterstützt. In vielen Städten oder in den Flächenländern ist das anders. Gerade da, wo mehr Popkultur die Stadtflucht junger und innovativer Menschen verhindern könnte. In diesem Sinne: die Zeit ist reif für mehr Pop in der Kulturpolitik.

 

Katja Lucker ist Musikbeauftragte des Landes Berlin und leitet das Musicboard. Tatjana Kaube ist Referentin für das Musicboard beim Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei. Mit dem Musicboard fördert das Land Musikerinnen und Musiker, popkulturelle Projekte, die Musikwirtschaft und Infrastruktur wie zum Beispiel Proberäume. Seit diesem Jahr ist das Musicboard Berlin auch Veranstalter des Festivals Pop-Kultur vom 26. bis zum 28. August im Berghain.

Autor*in
Katja Lucker

ist Musikbeauftragte des Landes und leitet das Musicboard Berlin.

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