Debatte

Die Reformdebatte zum Urheberrecht kommt voran

Um Autoren und Künstler zu schützen, hat die große Koalition die Stärkung des Urheberrechts vereinbart und geht das Thema auch an. Die grobe Richtung stimmt bereits und die EU will denselben Weg einschlagen, Gefahr droht nur durch TTIP.
von Gerhard Pfennig · 17. März 2015
Die EU will dafür sorgen, dass auch die Schöpfer digitalen „Contents“ angemessen vergütet werden.
Die EU will dafür sorgen, dass auch die Schöpfer digitalen „Contents“ angemessen vergütet werden.

Die große Koalition hat der Urheberpolitik, vor allem der Verbesserung der Situation der UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen im Koalitionsvertrag ungewöhnlich viel Raum gewidmet. Im Herbst präsentierte Justizminister Heiko Maas ein Vier-Punkte-Programm, in dem es um die Umsetzung der VG-Richtlinie, die Stärkung des Urhebervertragsrechts, die Einführung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke und die Einordnung weiterer urheberrechtlicher Fragen in die „Digitale Agenda“ ging. Später wurde der Aspekt der Stärkung des Urheberrechts in der EU-Reformagenda ergänzt.

Urhebervertragsrecht

Das Urhebervertragsrecht war Thema mehrerer Veranstaltungen seit Ende 2014. Es wird deutlich, dass die grobe Richtung der Reform von 2002 (!) stimmt, wenn auch noch starke Defizite bestehen. Aus diesem Grund fordert die Initiative Urheberrecht gemeinsam mit vielen Verbänden und Gewerkschaften die Einführung des Verbandsklagerechts, um einzelnen Urhebern Individualklagen zur Durchsetzung ihrer Vergütungsansprüche zu ersparen. Eine weitere Forderung ist die Einführung eines Rechtsweges, um die Verbindlichkeit von Verhandlungsergebnissen zu erstreiten.

Vergütungsansprüche

Die private Vervielfältigung war Thema eines Symposions, das die Initiative Urheberrecht mit der Humboldt-Universität zu Berlin im Dezember 2014 veranstaltete. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Dr. Stefanie Hubig, Staatssekretärin im BMJV, die sich für eine Stärkung des Schutzes der Urheber als Ziel des Reformprozesses aussprach. Nach vier Jahren der Untätigkeit der Vorgängerkoalition scheint die derzeitige Regierung den Reformbedarf erkannt zu haben.

EU

Kommissionspräsident Juncker hat eine „Digitale Agenda“ in den Programmmittelpunkt für die nächsten Jahre gestellt. Hoffentlich erkennt die Kommission bald, dass nicht nur Lippenbekenntnisse zu Gunsten der Produzenten des „Contents“ abgegeben werden dürfen, sondern sie sich konkret um die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse kümmern müssen.

Das von der Kommission am 16. Dezember 2014 vorgelegte Arbeitsprogramm ist eher wolkig, der zuständige deutsche Kommissar Günther Oettinger hat aber inzwischen den Dialog aufgenommen und sich u.a. mit deutschen Urhebern in Brüssel und Berlin getroffen. Diese Ansätze waren erfolgversprechend.

Das Parlament hat die wesentlichen Fragen früh identifiziert. Es wird auch – parteiübergreifend – erkannt, dass konkrete Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation, darunter die Erarbeitung eines europäischen Urhebervertragsrechts, notwendig sind. Das Parlament hat Arbeitsgruppen gegründet, die ihre Vorsitzenden und Berichterstatter gewählt und die Arbeit schnell aufgenommen haben. . Gerade wird ein Berichtsentwurf der Abgeordneten Julia Reda (Piratin, für die Fraktion der Grünen) diskutiert, der bei seinem Erscheinen eine sehr kontroverse Diskussion ausgelöst hat.

TTIP

Im Focus aller, die sich mit Kreativität, Urheberrecht und der Entwicklung der Informations­gesellschaft auf Basis der demokratischen Grundordnung beschäftigen, müssen die Verhandlungen zwischen EU und USA über ein Freihandelsabkommen stehen. Dieses wird gravierende Auswirkungen auf die zukünftige Medienordnung, die Kulturförderung und das Urheberrecht und damit auch auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kreativen haben.

Die Zukunft des Urheberrechts

Folgende Schwerpunkte werden voraussichtlich im Mittelpunkt der Diskussion über die Zukunft des Urheberrechts stehen:

Die Verstärkung der zentralisierten oder kollektiven Rechtswahrnehmung in Bereichen, in denen bisher individuell oder gar nicht lizenziert wird, so z. B. bei der online-Erschließung der TV-Archive. Hierzu sind die Stärkung der Verwertungsgesellschaften im Rahmen der Wahrnehmungsrechtsreform und bessere Zusammenarbeit der Urheber verschiedener Bereiche erforderlich.

Daneben muss verstärkt darüber nachgedacht werden, wie die Beziehungen zwischen Urhebern und Nutzern verbessert werden können, damit möglichst viele Werke wahrgenommen und verwertet werden – denn daran liegt allen.

Wie Intermediäre, die auf ihren Plattformen die Nutzung nicht lizenzierter Werke durch die Kunden ermöglichen – z.B. die Verwendung von Hintergrundmusik zu selbst produzierten Werken auf YouTube – zur Kasse gebeten werden können, muss diskutiert werden. Durch ein Vergütungssystem ähnlich der Leermedienabgabe (Kompensation für die zulässige private Vervielfältigung) könnten solche Nutzungen, die nicht in Persönlichkeitsrechte eingreifen, legalisiert werden.

Auch ist zu prüfen, wie eine Abgabe auf „Content“, der durch Datennetze geleitet wird, die angemessene Vergütung für Nutzungsformen sicherstellen könnte, die nicht an Geräte oder Aufzeichnungen gebunden ist, z.B. Streaming. Hier treffen Themen der Medien- und der Urheberpolitik aufeinander.

Die Debatte um die Werknutzung für Zwecke der Bildung und Wissenschaft darf nicht auf die Bildungs- und Wissenschaftsschranke beschränkt werden. Hier stellen sich Fragen zum Zusammenwirken von Bildungs-, Informations- und Urheberrechtspolitik, die im gesamt­gesellschaftlichen Diskurs erörtert werden müssen.

Diese Aufstellung ist sicher nicht als vollständig zu betrachten. Die Initiative Urheberrecht wird auf einem Kongress im November 2015 diese Themen zur Diskussion stellen. Dieses Datum markiert das fünfzigjährige Bestehen des modernen deutschen Urheberrechts und soll als Anlass dienen, einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Autor*in
Gerhard Pfennig

ist Sprecher der Initiative Urheberrecht, Rechtsanwalt und Honorarprofessor an der Universität Mainz.

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