Die außenpolitische Dimension der Kulturpolitik
Kulturpolitisch ist es geboten, die Innen- und Außenkulturpolitik in ihren Wechselbeziehungen zusammenzudenken. In seinem Beitrag weist Wolfgang Thierse deshalb zu Recht darauf hin, dass eine sich rasant verändernde Welt für eine sich ebenfalls radikal verändernde Kultur verantwortlich sei. Ich teile sein Resümee, dass scheinbare Widersprüche in den Kulturen und Religionen, den sozialen Milieus, aber auch den technischen Herausforderungen unserer Zeit eine „(Rück-)Besinnung“ auf kulturpolitische Werte und Leitideen verlangt.
Dialog der Kulturen fördert Frieden
Die aktuellen Konfliktlagen fordern dies dringend ein. Deshalb darf die außenpolitische Dimension in der Debatte um eine sozialdemokratische Kulturpolitik nicht ausgespart werden. Einen Dialog der Kulturen zu führen ist eine Aufgaben, die heute in der internationalen Politik wichtiger ist denn je. Gerade deshalb braucht es für eine deutsche auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) klare Werte und Leitlinien, die für ein sozialdemokratisches Kulturverständnis zu formulieren sind.
Deutsche Außenpolitik ist in erster Linie Friedenspolitik. Dies ist und muss die erste Leitlinie allen nach außen gerichteten Handelns sein. Friedenspolitik ist aber nicht nur durch die klassischen Kanäle der Diplomatie zu vermitteln. Die aktuellen Konflikte, im Nahen Osten oder der Ukraine, zeigen dies auf schreckliche Weise. Friedenspolitik umfasst auch Demokratieförderung, interkulturellen Dialog und internationale Bildungs- und Forschungskooperationen. Kurzum die sogenannte dritte Säule der Deutschen Außenpolitik, die AKBP.
Es geht um das Verstehen-wollen
Frank-Walter Steinmeier hat bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr eine vielbeachtete Rede gehalten: Im Lichte einer Begegnung mit dem Autor Rajivinder Singh sprach er von dem Prinzip der „Kulturpolitik der sechs Augen“: Wir sollten die Welt mit unseren Augen sehen, mit denen unserer Partner – und mit einem gemeinsamen Blick. Die Idee eines „Verstehens-wollens“, die diesem Prinzip inne wohnt, sollte die normative Grundlage unseres Verständnisses von Auswärtiger Kultur und Bildungspolitik sein. Steinmeier formulierte es mit den Worten: „Verstehen ist nicht Verständnis und erst recht nicht Einverständnis! Aber Verstehen ist die Voraussetzung für Verständigung, ohne die keine Beendigung eines Konflikts möglich ist.“
Doch was bedeutet das Prinzip, mit sechs Augen sehen? Das ist zum Beispiel das Projekt „Heimatlieder aus Deutschland“ vom Deutschen Chorverband. Hier entdecken und präsentieren sogenannte Migranten („Neu-Deutsche“) die Lieder ihrer Ursprungsländer oder der ihrer Eltern oder Großeltern. Wir erkennen: Auch das ist heute deutsche Kultur – Kultur in Deutschland.
Kultur eröffnet neue Blickwinkel
Reisen Künstler und Kulturschaffende etwa mit dem Goethe-Institut oder dem Institut für Auslandsbeziehungen ins Ausland, bringen sie einen anderen kulturellen Blick auf unser Land zurück. Kulturell-künstlerische Äußerungen schaffen so neue Zugänge: Ich muss nicht unbedingt die Sprache meines Gegenübers beherrschen, um mit ihm oder ihr zu tanzen, zu musizieren oder Theater zu spielen. Es sind besondere Kanäle des Sendens und Empfangens, die Teilhabe und Verständnis eröffnen.
ist Sprecher der Arbeitsgruppe Kultur und Medien sowie Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften.